Informationsaustausch unter Behörden bei ausländischen Sozialhilfebeziehenden
Rechtsgrundlagen
Informations- und Datenschutzgesetz (InfoDG; BGS 114.1)
Informations- und Datenschutzverordnung (InfoDV; BGS 114.2)
Verordnung des EJPD über das ausländerrechtliche Zustimmungsverfahren (ZV-EJPD)
Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201)
Verordnung über das Zentrale Migrationsinformationssystem vom 12. April 2006 (ZEMIS-Verordnung)
Erläuterungen
Behörden, welche für den Vollzug des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) zuständig sind, unterstützen sich nach Art. 97 Abs. 1 AIG gegenseitig bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, indem sie die benötigten Auskünfte erteilen sowie Einsicht in amtliche Akten gewähren. Nach Art. 97 Abs. 2 AIG sind andere Behörden des Bundes, der Kantone und Gemeinden dazu verpflichtet, die für den Vollzug des Gesetzes notwendigen Daten und Informationen auf Verlangen herauszugeben.
In der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) ist festgehalten, was den kantonalen Migrationsbehörden unaufgefordert zu melden ist.
1. Sozialhilfebegriff im Ausländer- und Integrationsrecht
Es gibt einerseits die grundversorgende Sozialhilfe, welche die Existenzsicherung zum Ziel hat, und andererseits Unterstützungsmassnahmen in den Bereichen Integration, Gesundheit und Familienförderung, welche der Armutsprävention dienen sollen.
1.1. Grundversorgende Sozialhilfe
Grundversorgende Sozialhilfe hat die reine Existenzsicherung ohne weitergehende fachliche Zielsetzungen wie Integration, Aus-/Weiterbildung oder Familienförderung zum Ziel. Die grundversorgende Sozialhilfe wird unabhängig davon ausgerichtet, was die Ursache der sozialen Notlage ist. Leistungen der Sozialhilfe sind nach Rechtsprechung des Bundesgerichts (Bundesgerichtsentscheid 2C_13/2019 vom 31.10.2019) beitragsunabhängig und bedarfsbemessen.
Im Kanton Solothurn sind die von der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe erlassenen SKOS-Richtlinien für die Bemessung der grundversorgenden Sozialhilfe verbindlich. Die Ausnahmen von den SKOS-Richtlinien sind in §93 der Sozialverordnung (SV) geregelt.
1.2. Leistungen im Bereich Integration, Gesundheit und Familienförderung
Im Vergleich zur grundversorgenden Sozialhilfe umfasst der zweite Bereich der wirtschaftlichen Sozialhilfe Leistungen im Bereich Integration, Gesundheit und Familienförderung. Dazu zählen Unterstützungsmassnahmen, welche nicht nur den existenziellen Grundbedarf abdecken, sondern auch fachliche Zielsetzungen verfolgen, welche der Armutsprävention dienen.
Auf ausländische Staatsangehörige bezogen geht es darum, Ausländerinnen und Ausländer längerfristig beruflich zu integrieren, um sie dauerhaft von der Sozialhilfe abzulösen. Integrationsförderung gehört zu den Zielsetzungen des Ausländer- und Integrationsrechts. Hinzu kommt, dass mit dem Ausländer- und Integrationsgesetz (Art. 4 AIG) die Eigenverantwortung verbindlicher gestaltet und eingefordert wird.
2. Behördliche Meldepflichten beim Bezug von Sozialhilfe
2.1. Meldepflichten allgemein
Der Bezug von Sozialhilfeleistungen kann für ausländische Staatsangehörige Auswirkungen auf das Aufenthaltsrecht haben. Beispielsweise können ausländerrechtliche Bewilligungen widerrufen werden, wenn ausländische Staatsangehörige selbst oder eine Person, für die sie zu sorgen haben, auf Sozialhilfe angewiesen sind. Gemäss Art. 62 Bst. e und Art. 63 Abs. 1 Bst. c AIG wird für den Widerruf einer Niederlassungsbewilligung etwa eine dauerhafte und in erheblichem Masse vorhandene Sozialhilfeabhängigkeit vorausgesetzt. Auch ist beispielsweise laut Art. 63 Abs. 2 AIG eine Rückstufung von einer Niederlassungsbewilligung zu einer Aufenthaltsbewilligung möglich, wenn die Kriterien nach Art. 58a AIG nicht erfüllt sind.
Neu kommt hinzu, dass gemäss der Ergänzung der Verordnung über das ausländerrechtliche Zustimmungsverfahren (ZV-EJPD), welche am 1. Januar 2021 in Kraft getreten ist, bei einer Verlängerung von Aufenthaltsbewilligungen an Drittstaatsangehörige die Zustimmung des SEM gegeben sein muss, wenn während der letzten drei Jahre vor Ablauf der Bewilligung Sozialhilfe von mindestens 50'000 Franken bei einem Einpersonenhaushalt bzw. mindestens 80'000 Franken bei einem Mehrpersonenhaushalt bezogen wurde.
Migrationsbehörden müssen nach Art. 96 AIG bei der Ausübung ihres Ermessens die öffentlichen Interessen und die persönlichen Verhältnisse sowie den Grad der Integration der Ausländerinnen und Ausländer berücksichtigen. Für einen Widerrufsentscheid sind daher auch Umstände, die Rückschlüsse auf den Integrationsgrad und die persönliche Situation (wie beispielsweise eine Erwerbstätigkeit im ersten Arbeitsmarkt oder eine Teilnahme an Arbeitsintegrationsprogramm) der betroffenen Person ermöglichen, von Bedeutung.
Aus den oben erwähnten Gründen besteht bei ausländischen Sozialhilfebeziehenden nach Art. 82b VZAE eine allgemeine Meldepflicht der zuständigen Sozialhilfebehörde an die kantonalen Migrationsbehörden. Kommunale wie auch kantonale Sozialhilfebehörden melden kantonalen Migrationsbehörden jeden Bezug von Sozialhilfe (d. h. grundversorgende Sozialhilfe und Unterstützungsmassnahmen wie beispielsweise im Bereich Integration).
Mit einer Meldung erhalten Migrationsbehörden frühzeitig bedeutsame Informationen, welche für die Beurteilung der ausländerrechtlichen Verfahren relevant sein können. Die Meldung des Sozialhilfebezugs ist von der ausländerrechtlichen Massnahme zu unterscheiden, denn erstere löst nicht automatisch letztere aus. Es geht vielmehr darum, dass Migrationsbehörden mit der Meldung verbundenen Informationen eine Interessenabwägung im Einzelfall treffen können.
2.2. Zuständigkeiten im Kanton Solothurn
Im Kanton Solothurn sind die Sozialregionen für den Vollzug der Sozialhilfe zuständig. Die 13 Sozialdienste der Sozialregionen richten die wirtschaftliche Sozialhilfe im Auftrag der Einwohnergemeinden aus und erbringen die entsprechenden persönlichen Hilfeleistungen. Die Zuständigkeit für die direkte Meldepflicht an das Migrationsamt liegt bei den Sozialregionen.
2.3. Meldepflicht grundversorgende Sozialhilfe
Die Berücksichtigung der grundversorgenden Sozialhilfe bei ausländerrechtlichen Entscheiden und Verfügungen erfolgt nach Massgabe der Verhältnismässigkeit und im Einzelfall muss eine Abwägung der Interessen unter Berücksichtigung aller massgebenden Umstände erfolgen. Wenn der Bezug von Sozialhilfeleistungen bspw. mit einer Wirtschaftskrise, einer Pandemie oder in Folge von Naturkatastrophen oder einer Krankheit steht, sind diese Umstände bei der Prüfung der Anordnung von ausländerrechtlichen Massnahmen angemessen zu berücksichtigen wie dies andererseits auch der Fall sein muss, wenn Sozialhilfeleistungen aus diesem Bereich im Wesentlichen auf eine fehlende Integrationsbereitschaft zurückzuführen sind.
Bei ausländischen Sozialhilfebeziehenden besteht eine allgemeine Meldepflicht (Art. 97 Abs. 3 AIG und Art. 82b VZAE). Zusätzliche Angaben sind den Migrationsbehörden auf Verlangen bekannt zu geben, soweit sie für den Vollzug des Gesetzes notwendig sind.
2.4. Meldepflicht Sozialhilfeleistungen Bereich Integration, Gesundheit und Familienförderung
Leistungen aus diesem Bereich werden ausländerrechtlich der Sozialhilfe zugerechnet. Das heisst, dass diese Massnahmen unabhängig von ihrer integrations-, gesundheits- oder familienpolitischen Zielsetzung ebenfalls den Migrationsbehörden gemeldet werden müssen.
In diesem Bereich ist es wichtig, dass die Meldungen an die Migrationsbehörden nach Möglichkeit mit einer Einschätzung oder Erläuterung der Sozialhilfebehörden verbunden sind, sofern dies aufgrund des Datenschutzes zulässig ist. Das erleichtert den Migrationsbehörden die bessere Einordnung und Beurteilung der Unterstützungsleistungen in diesem zweiten Bereich (z.B. persönliche Umstände, Verhalten, Mitwirkung an den Massnahmen).
2.5. Meldepflicht Sozialhilfeleistungen für Kindes- und Erwachsenenschutzmassnahmen
Je nach kantonaler Regelung werden Kosten von Kindes- und Erwachsenenschutzmassnahmen vollständig, teilweise oder gar nicht als Sozialhilfekosten erfasst. Im Kanton Solothurn werden ungedeckte Kosten aus diesem Bereich der Sozialhilfe zugeordnet, insbesondere die Fremdplatzierungskosten von Minderjährigen. Die gesetzlichen Bestimmungen sehen bei der Meldepflicht keine Ausnahme vor, weshalb auch diese Kosten der Migrationsbehörde zu melden sind. Eine Meldung soll in diesen Fällen aber grundsätzlich nicht zu einer ausländerrechtlichen Massnahme führen.
Sonderregelungen Asyl
Personendaten (von der Einreise über den Aufenthalt bis zum Verlassen der Schweiz) von Ausländerinnen und Ausländern, Flüchtlingen sowie Asylsuchenden werden im Zentralen Migrationsinformationssystem (ZEMIS) geführt.
Gemäss Art. 5 ZEMIS-Verordnung gibt es verschiedene Meldepflichten. Bei Personen aus dem Asylbereich sind die geforderten Informationen relevant, da der Bund für diese Personen den Kantonen die Globalpauschalen entrichtet. Dem Amt für Gesellschaft und Soziales sind beispielsweise Adressänderungen, Ereignisse wie Geburten oder das Verschwinden und Wiederauftauchen von Personen aus dem Asylbereich zu melden.
Sozialhilfeleistungen im Asylbereich (Art. 81 Asylgesetz), welche durch Globalpauschalen des Bundes abgegolten sind, müssen nicht gemeldet werden.