Notfallhilfe

Erläuterungen

1. Definition „Notfall“

Ein Notfall liegt nur dann vor, wenn jemand sachlich und zeitlich dringender Hilfe bedarf. Nur solange eine solche Notlage andauert, darf von einem Notfall ausgegangen werden. Ein solcher kann z.B. bei einer schweren Erkrankung oder einem Unfall oder beim Verlust aller Geldmittel eintreten.  Ausserdem kann ein Notfall auch dann eintreten, wenn eine Person nach Art. 29a AIG und nach Art. 61a Abs. 3 AIG von der Sozialhilfe ausgeschlossen ist.

2. Anspruchsberechtigte

Notfallhilfe kann gegenüber verschiedenen Anspruchsgruppen in Anwendung unterschiedlicher gesetzlicher Grundlagen gewährt werden. Voraussetzung ist immer das Vorliegen eines Notfalls, der sachlich und zeitlich dringend ist.

2.1.      Notfallhilfe an Personen mit gewöhnlichem Wohn- oder Aufenthaltsorts in der Schweiz

Gerät eine Person ausserhalb ihres Wohn- oder gewöhnlichen Aufenthaltsorts in der Schweiz in eine Notlage, muss ihr am aktuellen Aufenthaltsort die notwendige Hilfe gewährt werden. Es handelt sich hierbei um

  • Schweizerinnen und Schweizer mit Wohnsitz oder ständigem Aufenthalt in der Schweiz (Art. 13 ZUG).
  • Ausländische Staatsangehörige mit Aufenthaltsberechtigung und Wohnsitz oder ständigem Aufenthalt in der Schweiz.
  • Drittstaatenangehörige, welche sich (ohne Unterstützungswohnsitz) ausserhalb des Bewilligungskantons aufhalten und die nicht innert Frist um eine fremdenpolizeiliche Bewilligung des Aufenthaltskantons ersucht haben oder deren Gesuch um Bewilligung im neuen Kanton definitiv abgelehnt worden ist. Solche Personen müssen nur im Bewilligungskanton ordentlich unterstützt werden. Im Aufenthaltskanton kann lediglich eine beschränkte Notfallunterstützung beansprucht werden.

2.2.      Notfallhilfe an Personen, die vom Bezug der ordentlichen Sozialhilfe ausgeschlossen sind

2.2.1.   Ausschluss gemäss Art. 29a AIG und Art. 61a Abs. 3 AIG

Gemäss Art. 29a AIG haben Ausländerinnen und Ausländer, die sich lediglich zum Zweck der Stellensuche in der Schweiz aufhalten, und ihre Familienmitglieder keinen Anspruch auf ordentliche Sozialhilfe.

Wenn EU-/EFTA-Staatsangehörige mit einer Aufenthaltsbewilligung B zwecks Ausübung einer Erwerbstätigkeit ihre Stelle unfreiwillig innerhalb der ersten zwölf Monate ihres Aufenthalts in der Schweiz verlieren, bleibt die Bewilligung bis zum Ablauf der in Art. 61a Abs. 1 AIG vorgesehenen Frist von sechs Monaten bzw. bis zum Ende der darüberhinausgehenden Arbeitslosenentschädigung gültig (Art. 61a Abs. 2 AIG; Weisungen und Erläuterungen zur Verordnung über die Einführung des freien Personenverkehrs [Weisungen VEP]). Während dieser Frist gelten sie als Stellensuchende, soweit sie beim RAV zur Stellensuche angemeldet sind. Sie sind vom Bezug ordentlicher Sozialhilfe grundsätzlich ausgeschlossen (Art. 61a Abs. 3 AIG).

Gleiches gilt für EU-/EFTA-Bürgerinnen und -Bürger, die eine Kurzaufenthaltsbewilligung für eine unterjährige Arbeitsstelle innehaben. Verlieren sie ihre Stelle vor Ablauf des Arbeitsvertrags, können sie noch bis zum Ablauf der L-Bewilligung bzw. für maximal sechs Monate ab Aufgabe der Erwerbstätigkeit in der Schweiz bleiben. Richtet die Arbeitslosenversicherung für länger als diese sechs Monate Taggelder aus, erlischt das Aufenthaltsrecht nach Beendigung der Zahlungen der Arbeitslosenversicherung (Art. 61a Abs. 1 und 2 AIG). Die betreffenden Personen gelten als Stellensuchende und sind ab dem Zeitpunkt der Beendigung der Erwerbstätigkeit von der Sozialhilfe ausgeschlossen (Art. 61a Abs. 3 AIG; Weisungen VEP) und haben, soweit sie sich in einer Notlage befinden, lediglich Anspruch auf Notfallhilfe.

Die ausländerrechtlichen Normen zum Sozialhilfeausschluss sind direkt anwendbar und bedürfen keiner Konkretisierung im kantonalen Recht.

EU-/EFTA-Bürgerinnen und -Bürger, die innerhalb der ersten zwölf Monate ihres Aufenthalts in der Schweiz ihre Stelle freiwillig aufgeben, verlieren ihre Arbeitnehmereigenschaft mit der Stellenaufgabe. Damit erlischt auch ihr Aufenthaltsrecht. Sie haben lediglich Anspruch auf Notfallhilfe.

Achtung: Der Sozialhilfeausschluss gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund vorübergehender Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, Unfall oder Invalidität beendet wurde oder wenn sich die betroffene Person gestützt auf das FZA auf ein anderes Verbleiberecht berufen kann (Art. 61a Abs. 5 AIG). Weiter kommt Art. 61a Abs. 3 AIG nicht zur Anwendung, wenn sie über ein Bleiberecht aus familiären Gründen verfügt. Sie hat Anspruch auf ordentliche Unterstützung, wenn sie eine Jahresaufenthaltsbewilligung B hat.

2.3.      Notfallhilfe an Schweizer Staatsangehörige mit Wohnsitz im Ausland

Im Auslandschweizerregister eingetragene Schweizer Staatsangehörige mit Wohnsitz oder ständigem Aufenthalt im Ausland fallen grundsätzlich in die Zuständigkeit des Bundes. Gerät eine solche Auslandschweizerin oder ein Auslandschweizer während eines vorübergehenden Aufenthalts in der Schweiz in eine Notlage, besteht Anspruch auf Notfallhilfe. 

3. Anspruchsprüfung nicht-medizinische Notfälle

3.1.      Allgemeines

Häufig ist es nicht möglich, in Notsituationen vollumfänglich zu prüfen, ob jemand tatsächlich über keine oder nicht genügend eigene Mittel verfügt, um die Notlage selber zu beheben. Es reicht daher ein Glaubhaftmachen der aktuellen Notlage. Dies erfolgt soweit möglich unter Beibringung von geeigneten Unterlagen.

3.2.      Personen mit Wohnsitz oder ständigem Aufenthalt in der Schweiz

Vgl. oben Ziffer 2.1.

Folgende Vorkehrungen sind zu treffen:

  • Die betroffene Person muss einen Unterstützungsantrag ausfüllen, in welchem sie die aktuelle Notlage und die Gründe dafür umschreibt und unterschriftlich die Richtigkeit der Angaben bestätigt.
  • Sofern vorhanden müssen Ausweise (Pass, Identitätskarte, Fahrausweise) oder andere Unterlagen, die auf den Namen der betroffenen Person ausgestellt sind (Krankenkassenkarte, Kreditkarten, Einkaufskarten von Warenhäusern etc.) zwecks Überprüfung der Personalien kopiert und zu den Akten gelegt werden.
  • Die Aufenthaltsgemeinde hat bei der Schweizer Wohngemeinde abzuklären, ob die betroffene Person dort tatsächlich wohnt und allenfalls Unterstützungsleistungen bezieht. Dies ist allerdings nur möglich, wenn die Unterstützung zu Bürozeiten erfolgt.
  • Von Personen, die geltend machen, ihre Barschaft sei ihnen gestohlen worden oder sie hätten ihr Portemonnaie verloren, ist eine Verlust- oder Diebstahlanzeige einzufordern.

3.3.   Ausschluss gestützt auf das AIG

Vgl. oben Ziffer 2.2.1.

Personen, die gestützt auf Art. 61a Abs.3 AIG keinen Anspruch auf ordentliche Sozialhilfe haben, müssen einen ausführlichen Unterstützungsantrag ausfüllen, da bei dieser Personengruppe zu prüfen ist, ob allenfalls die Ausnahmebestimmung nach Art. 61a Abs. 5 AIG zur Anwendung kommt. Es reicht deshalb nicht, nur die finanzielle Bedürftigkeit abzuklären, sondern auch die persönlichen Umstände und die gesundheitliche Situation müssen erfragt werden.

Gleiches gilt für Personen, die sich bewilligungsfrei oder mit einer Kurzaufenthaltsbewilligung zur Stellensuche in der Schweiz aufhalten (vgl. Art. 29a AIG).

3.4.   Schweizer Staatsangehörige mit Wohnsitz im Ausland

Vgl. oben Ziffer 2.3

Folgende Vorkehrungen sind zu treffen:

  • Die betroffene Person muss ein Unterstützungsgesuch für Sozialhilfeleistungen gestützt auf das Bundesgesetz über Schweizer Personen und Institutionen im Ausland (Auslandschweizergesetz, ASG; SR 195.1) stellen.
  • Vorhandene Ausweise (Pass, Identitätskarte, Fahrausweis) und weitere vorhandene Unterlagen, die auf den Namen der betroffenen Person lauten (Krankenkassenkarte, Kreditkarten, Karten von Warenhäusern, Reiseunterlagen etc.) müssen zwecks Überprüfung der Personalien kopiert und zu den Akten gelegt werden.
  • Von Personen, die geltend machen, ihre Barschaft und/oder ihre Reisedokumente seien ihnen gestohlen worden oder sie hätten ihr Portemonnaie verloren, ist eine Verlust- oder Diebstahlanzeige einzufordern.
  • Personen, die die Übernahme von Rückreisekosten in ihren Wohnstaat beantragen, müssen darlegen, wie sie in die Schweiz eingereist sind, was ihr Aufenthaltszweck hier war, wo sie gewohnt und wovon sie während ihres Aufenthalts gelebt haben.
  • Es ist in jedem Fall sofort mit der Sektion Sozialhilfe für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer (SAS) der Konsularischen Direktion des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten EDA in Kontakt zu treten und abzuklären, ob die betroffene Person bei der Schweizer Vertretung im Wohnstaat immatrikuliert ist.
  • Siehe auch Beitrag "Unterstützungszuständigkeit für Schweizerinnen und Schweizer" (Ziff. 6).

4. Medizinische Notfälle

4.1.      Definition

Ein medizinischer Notfall liegt dann vor, wenn sofort Hilfe geleistet werden muss, also mit der Behandlung nicht zugewartet werden kann, bis die Kostensicherung geklärt ist. Ob ein medizinischer Notfall vorliegt, entscheidet abschliessend ein Arzt oder eine Ärztin.

4.2.      Subsidiäre Kostengutsprache

Für die medizinische Notfallbehandlung wird im Rahmen der sozialhilferechtlichen Notfallhilfe von den zuständigen Sozialhilfestellen grundsätzlich lediglich subsidiäre Kostengutsprache erteilt.

5. Umfang der Notfallhilfe

5.1.      Personen mit Wohnsitz oder ständigem Aufenthalt in der Schweiz

Vgl. oben Ziffer 2.1

Der Umfang der Unterstützung setzt sich zusammen aus

  • den Kosten der notwendigen Hilfe (und damit der sachlich und zeitlich dringlichen, unbedingt erforderlichen Notfallhilfe)
  • der im (ausdrücklichen) Auftrag (bzw. aufgrund einer Gutsprache) des Wohnkantons oder der Wohngemeinde ausgerichteten weiteren Unterstützung
  • den Kosten der Rückkehr (bzw. Verlegung) in den Wohnkanton oder die Wohngemeinde (vgl. Art. 14 Abs. 1 ZUG und Art. 23 Abs. 1 ZUG).

5.2.   Notfallhilfe an Personen, die gestützt auf das AIG von der Sozialhilfe ausgeschlossen sind

Vgl. oben Ziffer 2.2

Die Notfallhilfe umfasst:

  • Die Kosten der notwendigen Hilfe (und damit der sachlich und zeitlich dringlichen, unbedingt erforderlichen Notfallhilfe).
  • Die Kosten der Rückkehr (bzw. Verlegung) in den Wohn- bzw. Aufenthalts- oder Heimatstaat. Unter die notwendigen Rückreisekosten fallen auch, soweit dies nötig ist, medizinische Transportkosten oder die Kosten für die Begleitung der betroffenen Person auf der Rückreise durch medizinisches Fachpersonal. Hier ist zu beachten, dass die Sozialhilfeorgane nur für die Organisation und Finanzierung der freiwilligen Rückkehr zuständig sind. Für die zwangsweise Ausschaffung sind ausschliesslich die Migrationsbehörden zuständig.
  • Die Kosten für die Notfallhilfe während der Klärung des Sachverhalts, soweit noch nicht abschliessend feststeht, ob ein Ausnahmegrund gemäss Art. 61a Abs. 5 AIG vorliegt oder ein Verbleiberecht aus einem anderen Grund besteht.

5.3.      Schweizer Staatsangehörige mit Wohnsitz im Ausland

Vgl. oben Ziffer 2.3

Der Umfang der Notfallhilfe richtet sich gemäss Art. 41 Abs. 2 V-ASG nach dem im Aufenthaltskanton geltenden Recht. Sie umfasst damit

  • die Kosten der notwendigen Hilfe (und damit der sachlich und zeitlich dringlichen, unbedingt erforderlichen Notfallhilfe und
  • allenfalls die Finanzierung der Rückreise in den Wohnstaat. Allerdings ist vorgängig immer mit dem SAS abzuklären, ob die Rückreisekosten vom Bund übernommen werden.

6. Dauer der Notfallhilfe

6.1.      Grundsatz

Ist die an einem anderen Ort wohnende bedürftige Person zwar (weiterhin) hilfebedürftig, handelt es sich aber um keinen Notfall (mehr), so hat sie am Aufenthaltsort keinen (weiteren) Anspruch auf Sozialhilfeleistungen.

Über die Behebung eines Notfalls hinausgehende Hilfen können grundsätzlich nicht im Lastenausgleich abgerechnet werden.

6.2.      Ausnahmen

6.2.1.   Ausländerinnen und Ausländer, die gestützt auf das AIG vom ordentlichen Sozialhilfebezug ausgeschlossen sind:

Bei Personen, die gestützt auf das AIG vom ordentlichen Sozialhilfebezug ausgeschlossen sind, kann - soweit noch nicht abschliessend feststeht, ob ein Ausnahmegrund gemäss Art. 61a Abs. 5 AIG vorliegt oder ein Verbleiberecht aus einem anderen Grund besteht - einer über die Notfallhilfe hinausgehende Hilfe gewährt werden.

6.2.2.   Schweizerinnen und Schweizer sowie zur Anwesenheit berechtigte ausländische Staatsangehörige mit Wohnsitz oder ständigem Aufenthalt in der Schweiz, welche nicht gesetzlich von der ordentlichen Sozialhilfe ausgeschlossen sind:

  • Bei diesen Personengruppen besteht vor allem dann die Möglichkeit, über die Behebung des Notfalls hinausgehende Hilfen zu leisten, wenn die Aufenthaltsgemeinde bereit ist, die bedürftige Person vorderhand weiter zu betreuen und dafür - im Voraus - vom Wohnkanton oder vom Bund eine Kostengutsprache erhalten hat. Ohne eine solche Kostengutsprache bzw. ohne einen entsprechenden Auftrag läuft die Aufenthaltsgemeinde Gefahr, dass die Auslagen nicht weiterverrechnet werden können.

7. Abgrenzungsfragen bei ausländischen Staatsangehörigen

Personen, die zwar keinen Unterstützungswohnsitz mehr haben, welche aber gleichwohl noch über eine fremdenpolizeiliche Anwesenheitsregelung verfügen, sind ordentlich zu unterstützen, soweit sie nicht gesetzlich vom Sozialhilfebezug ausgeschlossen sind. Sie dürfen durch die Sozialbehörde nicht zur Rückkehr in ihr Heimatland aufgefordert werden. Lediglich bei nur kurzfristig in der Schweiz anwesenden Ausländerinnen und Ausländern und solchen, die gesetzlich vom ordentlichen Sozialhilfebezug ausgeschlossen sind, rechtfertigt es sich, ihnen bloss eine beschränkte Notfallunterstützung zukommen zu lassen und für ihre Rückkehr in den Wohn- oder Heimatstaat zu sorgen.

Personen, deren Jahresaufenthaltsbewilligung abgelaufen ist, sind mittels Auflage aufzufordern, ihre fremdenpolizeilichen Verhältnisse zu regeln, soweit das Migrationsamt nicht bereits eine Ausreisefrist angesetzt hat. Kommen sie dieser Auflage nach, sind sie ordentlich zu unterstützen. Setzt das Migrationsamt eine Ausreisefrist an oder wurde die Wegweisung bereits verfügt, ist die ordentliche Unterstützung bis zum verfügten Ausreisedatum auszurichten.

Personen aus dem Asylbereich fallen unter andere gesetzliche Bestimmungen.

Personen ohne Aufenthaltsberechtigung in der Schweiz haben lediglich Anspruch auf Nothilfe.

Sonderregelungen Asyl

Rechtskräftig weggewiesene Personen ohne Aufenthaltsrecht haben lediglich Anspruch auf Nothilfe.

Rechtsprechung