Abschiebung

Erläuterungen

1. Allgemeines

Sowohl das ZUG als auch das Sozialgesetz kennen das Verbot der sogenannten Abschiebung. Unter welchen Voraussetzungen eine Abschiebung vorliegt, regelt das ZUG. Verstösst eine Einwohnergemeinde gegen das Abschiebeverbot, hat sie die Kosten für längstens 5 Jahre zu tragen (§ 167 Abs. 2 SG).

2. Abschiebung

Eine Abschiebung im Sinne von Art. 10 ZUG liegt vor, wenn eine Behörde (welche nicht zwingend die Sozialhilfebehörde sein muss) aktiv auf den Wegzug einer Sozialhilfe beziehenden Person hinwirkt. Das Abschiebungsverbot ist ein Ausfluss der auch bedürftigen Personen ohne Einschränkung garantierten Niederlassungsfreiheit (Art. 24 BV). Daraus ergibt sich, was nach Art. 10 Abs. 1 ZUG , bzw. § 167 Abs. 2 SG unzulässig ist. So fallen unter eine Abschiebung beispielsweise behördliche Schikanen, aber auch Interventionen bei Arbeitgebern oder Vermietern, die auf die Auflösung eines Arbeits- oder Mietvertrages ausgerichtet sind. Zulässig sind hingegen behördliche Unterstützungen beim Wegzug, wenn dieser freiwillig erfolgt und im Interesse der bedürftigen Person liegt.

Keine rechtswidrige Abschiebung liegt vor, wenn die Anwesenheitsbewilligung eines Ausländers oder einer Ausländerin widerrufen oder nicht erneuert wird. Das gleiche gilt für die Verfügung einer Aus- oder Wegweisung (Art. 10 Abs. 3 ZUG).

Grundsätzlich liegt keine Abschiebung vor, wenn die Gemeinde eine obdachlos gewordene oder eine Person mit zu hohen Wohnkosten auffordert, auch ausserhalb des Gemeindegebietes eine den Verhältnissen angemessene Wohnung zu suchen. Der Bezug einer kostengünstigen Wohnung liegt in der Regel im Interesse der unterstützten Person, selbst wenn sich die Wohnung in einer anderen Gemeinde befindet. So ist auch nicht zu beanstanden, wenn die Gemeinde der betroffenen Person zuhanden künftiger Vermieter ein Schreiben ausstellt, wonach die Miete durch die Sozialhilfe finanziert wird. Allerdings muss dabei der Mietzins im Sinne einer Obergrenze beziffert werden, wobei die in der Gemeinde geltenden Mietzinsrichtlinien zu beachten sind und klar festzuhalten ist, dass bei Wohnungen ausserhalb des eigenen Gemeindegebietes die jeweiligen Mietzinsrichtlinien der betreffenden Gemeinden für eine Kostenübernahme durch die Sozialhilfe massgebend sind.

Allgemein auch nicht als Abschiebung zu werten ist, wenn die Gemeinde Kostengutsprache für eine professionelle Wohnungsvermittlung erteilt, weil eine angemessene Wohnung z.B. wegen einer schwierigen Wohnungsmarktsituation oder der persönlichen Verhältnisse der betroffenen Person, nur schwer zu finden ist. Anders sieht die Situation aus, wenn die Gemeinde dem Wohnungsvermittler den Auftrag erteilt, ausschliesslich ausserhalb des Gemeindegebietes nach Wohnungen zu suchen oder eine Prämie für den Abschluss eines Mietvertrages in einer anderen Gemeinde verspricht.

Immer zu beachten sind dabei die verfassungsmässigen Rechte der betroffenen Person wie z.B. die Niederlassungsfreiheit. Weigert sich die betroffene Person, einen Mietvertrag für eine kostengünstige Wohnung an einem anderen Ort abzuschliessen, obwohl dies in ihrem Interesse liegen würde, kann kein anderer Zwang ausgeübt werden als die im Sozialgesetz vorgesehenen Mittel (Auflagen, Kürzungen etc.).

Hingegen ist von einer Abschiebung auszugehen, wenn eine Gemeinde selbst in einer anderen Gemeinde eine Wohnung mietet, um sie einer von ihr unterstützten Person unbefristet unterzuvermieten. Liegt aber ein befristetes Untermietverhältnis vor bzw. wird die betroffene Person z.B. zur Vermeidung von Obdachlosigkeit in einer von der Wohngemeinde in einer anderen Gemeinde angemieteten Wohnung befristet untergebracht, liegt ein Sonderzweck vor. Der Unterstützungswohnsitz bleibt am bisherigen Ort bestehen.

3. Beweispflicht

Mit Bezug auf die Beweislast ist zu bemerken, dass der Kanton bzw. die Gemeinde, der bzw. die eine Abschiebung geltend macht, nachzuweisen hat, dass eine Abschiebung im Sinne von Art. 10 Abs. 1 ZUG bzw. § 167 Abs. 1 SG vorliegt.

Macht der bisherige Wohnkanton bzw. die bisherige Wohngemeinde allerdings geltend, die behördliche Veranlassung der bedürftigen Person sei in deren Interesse erfolgt, so hat er bzw. sie dies zu beweisen. Dies ergibt sich aus der allgemeinen, auch im Verwaltungsrecht geltenden Beweisregel von Art. 8 ZGB des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB; SR 210)  wonach derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen hat, der aus ihr Rechte ableitet.

4. Sanktion

Eine Widerhandlung gegen das Verbot der Abschiebung hat im interkantonalen Bereich zur Folge, dass der Unterstützungswohnsitz im bisherigen Wohnkanton bzw. in der bisherigen Wohngemeine solange bestehen bleibt, als die bedürftige Person ihn ohne behördlichen Einfluss beibehalten hätte, allerdings nicht länger als fünf Jahre (Art. 10 Abs. 2 ZUG). Bei einer innerkantonalen Abschiebung nach § 167 Abs. 2 SG kann demgegenüber in der neuen Gemeinde zwar ein Unterstützungswohnsitz begründet werden, die fehlbare Gemeinde bleibt aber für die Kosten der wirtschaftlichen Hilfe so lange ersatzpflichtig, als die betroffene Person diese Gemeinde ohne den behördlichen Einfluss voraussichtlich nicht verlassen hätte, längstens aber während fünf Jahren.

Bei der Bemessung dieser Zeit ist zum einen das bisherige Umzugsverhalten der unterstützten Person zu berücksichtigen. So ist bei einer Abschiebung nach Art. 10 ZUG zu prüfen, ob sie während längerer Zeit im gleichen Kanton wohnte oder ob sie schon öfters Arbeitsplatz und/oder Wohnort über die Kantonsgrenzen hinaus gewechselt hat. Bei einer Abschiebung ist entsprechend zu prüfen, ob die unterstützte Person längere Zeit in der Gemeinde wohnhaft war oder ob sie öfters ihren Wohnort gewechselt hat, sei dies innerhalb des Kantons Solothurn oder auch über die Kantonsgrenzen hinweg. Als weiteres Kriterium für die Bemessung des Zeitraumes, innerhalb welchen der frühere Unterstützungswohnsitz bestehen bleibt, ist das Mass des behördlichen Verschuldens zu berücksichtigen.

Liegt eine verpönte Abschiebung nach Art. 10 ZUG vor, gilt der neue Wohnkanton bzw. die neue Wohngemeinde als Aufenthaltskanton bzw. als Aufenthaltsgemeinde. Sie führen den Unterstützungsfall, können aber die Kosten der wirtschaftlichen Hilfe vom bisherigen Wohnkanton bzw. von der bisherigen Wohngemeinde zurückfordern. Bei einer Abschiebung nach § 167 Abs. 2 ZGB wird in der neuen Wohngemeinde ein Unterstützungswohnsitz begründet, die bisherige Wohngemeinde wird aber kostenersatzpflichtig.

5. Verfahren nach ZUG

5.1.      Richtigstellungsbegehren nach Art. 28 Abs. 2 ZUG

Das Entdecken einer Abschiebung im Sinne von Art. 10 ZUG stellt einen besonderen Richtigstellungsgrund dar. Stellt ein Kanton fest, dass eine hilfebedürftige Person von ihrem bisherigen Wohnkanton in unzulässiger Weise zum Wegzug veranlasst wurde, kann er ein Richtigstellungsbegehren im Sinne von Art. 28 Abs. 2 ZUG stellen. Diese Richtigstellung ist nicht an die Voraussetzungen für eine Richtigstellung nach Art. 28 Abs. 1 ZUG gebunden.

Mit dem Richtigstellungsbegehren nach Art. 28 Abs. 2 ZUG kann der von einer Abschiebung betroffene Kanton die Feststellung verlangen, dass die bedürftige Person trotz des Wegzuges ihren Unterstützungswohnsitz am bisherigen Wohnort während einer bestimmten Dauer beibehält und der Kanton, in dem sie nun tatsächlich wohnt, während dieser Zeit lediglich Aufenthaltskanton ist.

Eine Richtigstellung im Sinne von Art. 28 Abs. 2 ZUG kann jeder Kanton verlangen, der daran ein Interesse hat. In der Regel wird dies der vermeintlich neue Wohnkanton sein, der feststellt, dass die bedürftige Person von einer Behörde des bisherigen Wohnkantons in unzulässiger Weise zum Wegzug veranlasst wurde.

5.2.      Innerkantonales Vorgehen zur Geltendmachung einer Abschiebung nach ZUG

Ist eine solothurnische Gemeinde der Ansicht, eine bedürftige Person sei durch eine ausserkantonale Behörde in unzulässiger Weise abgeschoben worden, hat sie dies so bald als möglich dem Amt für Gesellschaft und Soziales unter Beilage von sachdienlichen Unterlagen, die eine Abschiebung zu beweisen vermögen, mitzuteilen. Dabei hat sie auch Ausführungen darüber zu machen, ob und gegebenenfalls wann die bedürftige Person ohne den behördlichen Einfluss voraussichtlich ihren früheren Wohnort verlassen hätte. Bestehen keinerlei Anzeichen dafür, dass sie ohne behördlichen Einfluss ihren Wohnort verlassen hätte, ist von einer Weiterdauer des früheren Wohnsitzes während fünf Jahren auszugehen (vgl. Art. 10 Abs. 2 ZUG). Das Amt für Gesellschaft und Soziales prüft den geltend gemachten Sachverhalt und die vorgelegten Unterlagen. Kommt es ebenfalls zum Schluss, dass eine Abschiebung vorliegen könnte, stellt es ein Richtigstellungsbegehren im Sinne von Art. 28 Abs. 2 ZUG.

5.3.      Einsprache

Gegen das Richtigstellungsbegehren kann der betroffene Kanton innert 30 Tagen seit Erhalt Einsprache gemäss Art. 33 ZUG erheben.

5.4.      Kostenersatz

Wurde das Vorliegen einer Abschiebung rechtskräftig festgestellt, kann die solothurnische Gemeinde die Kosten der wirtschaftlichen Hilfe dem fehlbaren Kanton weiterverrechnen. Die Abrechnung erfolgt dabei nach den Grundsätzen von Art. 32 ZUG.

Sonderregelungen Asyl

Keine.

Rechtsprechung

Abschiebung nach ZUG:

Entscheid des (ehemaligen) Beschwerdedienstes des EJPD vom 10. März 2005, Rek. U4-0320546 (vgl. Anlage): Das Abschiebungsverbot ist ein Ausfluss der auch dem Bedürftigen uneingeschränkt garantierten Niederlassungsfreiheit (Art. 24 BV). Daraus ergibt sich, was nach Art. 10 Abs. 1 ZUG verboten und was erlaubt ist. Als unzulässig erachtet es die Lehre vor allem, den Bedürftigen aus dem Kanton auszuweisen oder ihn durch behördliche Schikanen zum Wegzug zu veranlassen. Aber auch behördliche Interventionen bei Arbeitgebern oder Vermietern mit dem Zwecke, sie zur Auflösung eines Arbeits- oder Mietvertrages zu veranlassen, gelten als verpönt und sind verboten. Untersagt ist schliesslich das Angebot einer Umzugsunterstützung, um den Bedürftigen zu einem Wegzug zu veranlassen. Nach dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 1 ZUG ist es hingegen erlaubt, einen im Interesse des Bedürftigen liegenden Wegzug zu veranlassen. Auch einen freiwilligen Wegzug begünstigen dürfen die Behörden, allerdings nur dann, wenn sie im Rahmen ihrer eigenen fürsorgerechtlichen Vorschriften und Grundsätze davon überzeugt sind, dass der Wegzug fürsorgerisch zweckmässig ist, das heisst sich die wirtschaftliche Lage oder wenigstens die persönlichen Verhältnisse des oder der Betroffenen voraussichtlich verbessern werden (vgl. W. Thomet, a.a.O., Rz. 157/158).