Freizügigkeitsguthaben und private gebundene Vorsorge

Erläuterungen

1. Leistungen der beruflichen Vorsorge

1.1.      Allgemeines

Neben dem (lediglich Mindestvorschriften enthaltenden) BVG bzw. der BVV 2 und (für früher erworbene bzw. über das Minimum hinausgehende Leistungen) den Art. 331 bis 331f OR sind immer auch die Statuten und Reglemente der einzelnen Vorsorgeeinrichtung zu konsultieren. Für die Ansprüche im Freizügigkeitsfall gelten das Freizügigkeitsgesetz und die Verordnung dazu. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass Pensionskassenguthaben bis zur Höhe der Freizügigkeitsleistung aufgrund des Bundesgesetzes über die Wohneigentumsförderung durch Vorbezug oder Verpfändung dazu verwendet werden können, um ein (selbst genutztes) Haus oder eine Wohnung (bzw. entsprechende Anteilscheine) zu erwerben oder abzuzahlen.

Bei der beruflichen Vorsorge handelt es sich um eine für die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorische Versicherung (Art. 2 BVG und Art. 1 BVV 2). Die übrigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Selbständigerwerbende können sich freiwillig versichern lassen (Art. 4 BVG). Wollen Versicherte Leistungen beanspruchen, so haben sie bei der jeweiligen Vorsorgeeinrichtung ein Leistungsbegehren zu stellen.

Für Streitigkeiten zwischen Vorsorgeeinrichtungen, Arbeitgebern bzw. Arbeitgeberinnen und Versicherten ist Art. 73 BVG massgeblich. Erforderlich ist eine Klage beim kantonalen Sozialversicherungsgericht. Vorgesehen ist ein einfaches, rasches und in der Regel kostenloses Verfahren.

1.2.      Situation bei Arbeitslosigkeit

Der Vorsorgeschutz gegen Alter dauert zwar auch während der Arbeitslosigkeit fort. Allerdings können mit Bezug auf die späteren Leistungen Lücken entstehen. Sofern (z.B. im Rahmen eines Sozialplans) keine zweckbestimmten Ersatzleistungen aus dem freien Stiftungsvermögen oder über einen Wohlfahrtsfonds des bisherigen Arbeitgebers bzw. der bisherigen Arbeitgeberin erhältlich sind, können Arbeitslose dies nur vermeiden, indem sie das entsprechende Vorsorgeverhältnis bei der bisherigen oder der Auffangeinrichtung weiterführen und die dafür bestimmten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge selber weiterzahlen.

Die Risiken Invalidität und Todesfall bleiben während der Bezugsberechtigung der Arbeits-losenentschädigung weiterhin versichert. Die entsprechenden Prämienanteile werden von der Arbeitslosenentschädigung abgezogen und durch die Arbeitslosenkasse zusammen mit dem von ihr zu übernehmenden Arbeitgeberanteil der Auffangeinrichtung überwiesen. Einen Monat nach Ablauf der Bezugsberechtigung von Arbeitslosentaggeldern endet die Versicherungspflicht bzw. der Schutz für die Risiken Tod und Invalidität, sofern die Versicherten das Vorsorgeverhältnis bei der Auffangeinrichtung nicht weiterführen wollen.

2. Leistungsarten (Art. 13 bis 33 BVG)

2.1.      Altersleistungen

Altersleistungen werden entweder in Form von Renten oder als Kapitalabfindung ausgerichtet. Altersleistungen dürfen frühestens fünf Jahre vor und spätestens fünf Jahre nach Erreichen des ordentlichen AHV-Alters ausbezahlt werden. Bei Bezug einer vollen IV-Rente wird die Altersleistung in der Regel vorzeitig ausbezahlt.

2.2.      Invaliditätsleistungen

Bei (mindestens zu 40% invaliden) Bezügerinnen und Bezügern einer IV-Rente oder bei Klientinnen und Klienten, die bei der IV gemeldet sind, ist immer auch abzuklären, ob sie Anspruch auf eine Invalidenrente nach BVG haben. Hat die invaliditätsbedingte Arbeitsunfähigkeit bereits während des letzten Arbeitsverhältnisses bestanden, so kann die Freizügigkeitsleistung wieder der Versicherung des ehemaligen Arbeitgebers bzw. der ehemaligen Arbeitgeberin überwiesen und von dieser rückwirkend die Auszahlung einer Invalidenrente verlangt werden. Dies ist für die Versicherten in der Regel günstiger als eine Kapitalauszahlung der Freizügigkeitsleistung. Weiter werden Kinderrenten ausgerichtet.

2.3.      Hinterlassenenleistungen

Als Hinterlassenenleistungen werden Witwen- oder Witwerrenten ausgerichtet, wenn der überlebende Ehegatte für den Unterhalt mindestens eines Kindes aufkommen muss oder älter als 45 Jahre ist und die Ehe mindestens fünf Jahre gedauert hat. Erfüllt der überlebende Ehegatte diese Voraussetzungen nicht, hat er Anspruch auf eine einmalige Abfindung in der Höhe von drei Jahresrenten. Dasselbe gilt für eingetragene Partnerinnen und Partner. Kinder haben Anspruch auf Waisenrenten. Er besteht bis zur Mündigkeit bzw. bis zum Abschluss der Ausbildung, längstens aber bis zum 25. Altersjahr.

2.4.      Austrittsleistung

Versicherte, welche (v.a. durch Auflösung des Arbeitsverhältnisses) die Vorsorgeeinrichtung verlassen, bevor ein Vorsorgefall eintritt, haben Anspruch auf eine Austrittsleistung. Diese ist in der Regel auf die neue Vorsorgeeinrichtung zu übertragen oder hat (sofern keiner solchen beigetreten wird) in anderer Form (als Freizügigkeitspolice oder Freizügigkeitskonto) den Vorsorgeschutz sicherzustellen. Das FZG bezweckt, dass sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beim Stellenwechsel mit der (beim Beitrags- und Leistungsprimat unterschiedlich berechneten) Freizügigkeitsleistung bei der Vorsorgeeinrichtung der neuen Firma für vergleichbare Leistungen ohne Verluste versichern können.

Eine Barauszahlung der Austrittsleistung ist (vorbehältlich der Förderung von Wohneigentum) nur dann zulässig, wenn

  • Versicherte die Schweiz endgültig verlassen oder
  • sie eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen und der obligatorischen beruflichen Vorsorge nicht mehr unterstehen oder
  • die Austrittsleistung weniger als einen Jahresbeitrag ausmacht.

Bei verheirateten Anspruchsberechtigten muss zudem der Ehepartner bzw. die Ehepartnerin der Barauszahlung zustimmen. Das gilt auch bei eingetragenen Partnerschaften. Überdies wird durch das FZG die Möglichkeit von gesundheitlichen Vorbehalten eingeschränkt (Art. 14 FZG und Art. 331c OR). Schliesslich erlaubt das FZG dem Gericht, bei einer Ehescheidung zu bestimmen, dass ein Teil der Austrittsleistung, die ein Ehegatte während der Dauer der Ehe erworben hat, an die Vorsorgeeinrichtung des andern übertragen und auf scheidungsrechtliche, die Vorsorge sicherstellende Ansprüche angerechnet wird (Art. 22 FZG).

3. Gebundene Vorsorgeversicherungen

Lebensversicherung im Rahmen der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a) sind steuerlich begünstigt und unterliegen deshalb Verfügungsbeschränkungen. Sie können weder abgetreten noch verpfändet noch ohne weiteres vorzeitig aufgelöst bzw. zurückgekauft werden. Letzteres ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, zum Beispiel

  • bei Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit oder
  • bei endgültigem Verlassen der Schweiz oder
  • zwecks Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum.

4. Sozialhilferechtliche Behandlung von Freizügigkeitsguthaben der 2. Säule und Guthaben der privaten gebundenen Vorsorge

4.1.      Grundsätzliches

Freizügigkeitsguthaben der 2. Säule und der Säule 3a gehen grundsätzlich der Sozialhilfe vor und sind im Budget der unterstützten Person vollumfänglich anzurechnen. Die Freizügigkeitsordnung sieht vor, dass Guthaben aus Freizügigkeitspolicen (bei Lebensversicherern) oder aus Freizügigkeitskonten (bei Banken) frühestens 5 Jahre vor und spätestens 5 Jahre nach Erreichen des BVG-Rentenalters ausbezahlt werden. Ebenso wird auf Begehren das Guthaben ausgelöst, wenn die Inhaber/-innen der Policen bzw. Konten eine ganze IV-Rente beziehen und das Invaliditätsrisiko nicht zusätzlich versichert haben. Massgebend sind die im Einzelfall geltenden allgemeinen Versicherungsbedingungen.

4.2.      Zeitpunkt der Auslösung

Grundsätzlich sind Freizügigkeitsguthaben der 2. Säule und der Säule 3a zusammen mit dem AHV-Vorbezug oder dem Bezug einer ganzen IV-Rente herauszulösen. Der Lebensunterhalt ist ergänzend zur AHV- bzw. IV-Rente mit dem ausgelösten Guthaben zu bestreiten. Um die Zielsetzung der 2. Säule (Sicherung der gewohnten Lebenshaltung in Ergänzung zu den Leistungen der AHV/IV) nicht zu tangieren, soll die Nutzung auslösbarer bzw. ausgelöster Freizügigkeitsguthaben zur Bestreitung des Lebensunterhaltes nicht früher erfolgen. Dies soll mit Kapitalguthaben der privaten gebundenen Vorsorge (Säule 3a) analog gehandhabt werden. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann der Bezug des Freizügigkeitsguthabens frühestens ab 60 Jahren verlangt werden, wenn mit dem Freizügigkeitsguthaben der Lebensunterhalt basierend auf dem Bedarf gemäss der Berechnung der Ergänzungsleistungen bis zum Vorbezugsalter finanziert werden kann (vlg. SKOS Merkblatt in Praxishilfe).

4.3.      Sozialhilferechtliche Behandlung der Barauszahlung von BVG Leistungen

Die (vorzeitige oder ordentliche) Auszahlung eines BVG Guthabens ist letztlich auf eigene Arbeitsleistung zurückzuführen und begründet daher keine Rückerstattungspflicht von rechtmässig bezogenen Sozialhilfeleistungen. Wirtschaftliche Hilfe für die Zeit zwischen der Fälligkeit eines BVG Guthabens und dessen Auszahlung muss aber nur gegen Abtretung des entsprechenden Anspruchs erfolgen und kann daher für diese Periode mit der Barauszahlung verrechnet werden.

Nach Auszahlung des BVG-Guthabens können die Klientinnen und Klienten ihren (künftigen) Lebensunterhalt daraus finanzieren. Dies sofern dieses Kapital nicht für den Einkauf in eine neue Vorsorgeeinrichtung benötigt wird.

4.4       Unterstellung bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung

Verliert eine versicherte Person nach Vollendung des 58. Altersjahrs ihre Stelle, kann sie gemäss Art. 47a BVG ihrer bisherigen Vorsorgeeinrichtung unterstellt bleiben und hat die gleichen Rechte wie andere Versicherte. Die betreffenden Risikoprämien können durch die Sozialhilfe als situationsbedingte Leistungen übernommen werden. So kann für eine kleine Anzahl von Personen ein wesentlicher Beitrag für deren Existenzsicherung im Alter geleistet werden (vgl. SKOS-Richtlinien D.3.3 Erläuterung b).

Sonderregelungen Asyl

Keine.