Eheliche Unterhaltspflicht - Auswirkungen in der Sozialhilfe

Erläuterungen

1. Gerichtlich festgelegte Ehegatten-Unterhaltsbeiträge

1.1.      Nacheheliche Unterhaltsbeiträge

a. Inkassohilfe

Erfüllt die verpflichtete Person die Unterhaltspflicht nicht, so hat die berechtigte Person Anspruch auf geeignete und in der Regel unentgeltliche Hilfe bei der Vollstreckung des Unterhaltsanspruchs (Art. 131 Abs. 1 ZGB).

Im Zusammenhang mit der am 1. Januar 2017 in Kraft getretenen Revision des Kindesunterhaltsrechts wurde dem Bundesrat die Kompetenz zur bundesweiten Regelung der Inkassohilfe im Scheidungs- und Kindesrecht übertragen (Art. 131 Abs. 2 ZGB, Art. 290 Abs. 2 ZGB). Der Bundesrat wird eine Verordnung erlassen, die eine einheitliche Inkassohilfe für Unterhaltsbeiträge gewährleistet. Künftig wird es nicht mehr möglich sein, dass sich jemand Vorsorgekapital auszahlen lässt und gleichzeitig seinen Unterhaltspflichten nicht nachkommt. Die Inkassohilfestellen können den Pensionskassen und den Freizügigkeitseinrichtungen Personen melden, die ihre Unterhaltspflicht vernachlässigen. Die Pensionskassen und Freizügigkeitseinrichtungen werden ihrerseits verpflichtet, die Inkassohilfestellen umgehend zu informieren, wenn Vorsorgekapital ausbezahlt werden soll. Damit diese Meldepflichten reibungslos eingeführt werden können, sind noch Präzisierungen zu erarbeiten. Die entsprechenden Bestimmungen werden zu einem späteren Zeitpunkt zusammen mit der Verordnung zur Inkassohilfe in Kraft gesetzt (vgl. AS 2015 5017).

Die Inkassohilfe wird von dem für die Wohnsitzgemeinde der unterhaltsberechtigten Person zuständigen Oberamt durchgeführt.

Inkassohilfe für laufende Ehegattenalimente wird maximal drei Monate rückwirkend ab Gesuchstellung geleistet. Weiter zurückliegende Ausstände muss die unterhaltsberechtigte Person selber eintreiben.

b. Legalzession

Zahlt der pflichtige Ehegatte die von ihm geschuldeten Ehegatten-Unterhaltsbeiträge nicht und muss die Sozialbehörde deshalb (vollumfänglich oder im Umfang der Unterhaltsbei­träge) für den Lebensbedarf des anderen Ehegatten aufkommen, so geht der Unterhaltsanspruch von Gesetzes wegen mit allen Rechten auf die unterstützende Gemeinde über (Art. 131a Abs. 2 ZGB).

1.2.      Eheschutzrechtliche und vorsorgliche Unterhaltsbeiträge

a. Inkassohilfe

Zahlt der pflichtige Ehegatte die im Rahmen eines Eheschutzverfahrens oder als vorsorgliche Massnahme in einem hängigen Scheidungs- oder Trennungsprozess vom Gericht festgelegten Ehegatten-Unterhaltsbeiträge nicht, kann der andere Ehegatte wiederum beim zuständigen Oberamt um Inkassohilfe nachsuchen

b. Legalzession

Seit Inkrafttreten der Revision des Kindesunterhaltsrechts am 1. Januar 2017 gehen auch eheschutzrechtliche und vorsorgliche Unterhaltsbeiträge von Gesetzes wegen auf das Gemeinwesen über, wenn die Sozialbehörde den unterhaltsberechtigten Ehegatten unterstützen muss, weil der pflichtige Ehegatte seiner Zahlungspflicht nicht nachkommt (Art. 176a ZGB in Verbindung mit Art. 131a Abs. 2 ZGB).

2. Fehlende gerichtliche Regelung des Getrenntlebens

2.1.      Abklärung der Verhältnisse

Die Sozialbehörde darf von getrennt lebenden Ehepaaren verlangen, dass sie die erforderlichen Unterlagen (wie insbesondere Mietverträge) einreichen und auch sonst an der Klärung des Sachverhalts in angemessener Weise mitwirken. Dabei kann von ihnen auch eine schriftliche Erklärung zu den Gründen des Getrenntlebens, der Wohnsituation und den finanziellen Verhältnissen gefordert werden. Wichtige Gründe zum Getrenntleben liegen dann vor, wenn das Zusammenleben unmöglich oder unzumutbar ist. Weitere Anhaltspunkte ergeben sich aus Art. 175 ZGB. Sonst hängt es von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, wann solche Gründe vorhanden sind.

2.2.      Auflage zur gerichtlichen Regelung der Folgen der Trennung

Grundsätzlich bedarf das Getrenntleben keiner gerichtlichen Bewilligung. Aus diesem Grund werden die Gerichte entsprechende Begehren nur soweit behandeln, als es um die Regelung der Folgen der Trennung (z.B. Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen, die Zuweisung der Familienwohnung, Regelung der Kinderbelange) geht (vgl. Art. 175 ZGB und Art. 176 ZGB). Die (zu allgemein gehaltene) Aufforderung, das Getrenntleben gerichtlich regeln zu lassen, führt in der Regel nicht zum Ziel. Vielmehr muss der betroffenen Person genau mitgeteilt werden, welche Belange sie zur Regelung beim Gericht beantragen muss. Dies kann auch in Form einer Auflage erfolgen.

2.3.      Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse

Wird das Getrenntleben von verheirateten Personen berücksichtigt, so ist von den tatsächlichen Verhältnissen und damit von zwei Haushalten auszugehen. Der von der Haushaltsgrösse abhängige Grundbedarf wird deshalb separat festgesetzt. Zudem sind, soweit angemessen, die vollen Mietkosten zu übernehmen und es erfolgt auch kein Zusammenrechnen von Einkommen und Vermögen. Beide Personen haben, soweit sie Sozialhilfe beantragen, also Anspruch auf den für sie ermittelten Grundbedarf und auf Deckung ihrer (angemessenen) Mietkosten, dies unter Abzug ihrer Einkünfte.

Möchten die betroffenen Ehepartner ihre Ehe zwar aufrechterhalten, aber ohne hinreichenden Grund in zwei Wohnungen leben, so werden das Getrenntleben bzw. die tatsächlichen Verhältnisse lediglich provisorisch berücksichtigt und es darf von der hilfesuchenden Person mittels Auflage verlangt werden, dass sie innert einer angemessenen, sich nach den konkreten Umständen richtenden Frist den gemeinsamen Haushalt wieder aufnimmt. Wenn sie dieser Auflage nicht nachkommt, dann ist nach wie vor von einer Unterstützungseinheit auszugehen. In solchen Fällen werden der gemeinsame Grundbedarf und ein angemessener Mietzins berücksichtigt. Davon müssen die gesamten Einkünfte beider Ehegatten abgezogen werden. Die daraus resultierende Sozialhilfe ist den Beteiligten, soweit sie Sozialhilfe beantragen, je zur Hälfte auszurichten (siehe Praxishilfen).

2.4.      Unterhaltsbeiträge ohne gerichtliche Festsetzung

Leben die Ehegatten getrennt, ohne dass das Getrenntleben gerichtlich geregelt ist, und leistet der eine Ehegatte dem anderem freiwillig einen Unterhaltsbeitrag, ist dieser zwar als Einkommen anzurechnen. Eine solche freiwillige Regelung ist aber für die Sozialbehörde nicht verbindlich. Erachtet sie den geleisteten Betrag als nicht angemessen, so kann sie vom unterstützten Ehegatten verlangen, dass er ein Eheschutzbegehren stellt und die Festsetzung der Leistungen vom Richter beantragt (Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB). Dies ergibt sich aus dem Subsidiaritätsprinzip, welches die unterstützte Person verpflichtet, Leistungen Dritter geltend zu machen.

Zum Verzicht auf Unterhaltsbeiträge siehe unten Ziff. 4.

3. Änderung der Verhältnisse

Entspricht eine gerichtliche Unterhaltsregelung nach Ansicht der Sozialbehörde nicht mehr den Verhältnissen, so kann sie von der unterstützten Person verlangen, dass diese ein Abänderungsbegehren beim zuständigen Gericht stellt (vgl. Art. 129 ZGB für den nachehelichen Unterhalt und Art. 179 Abs. 1 ZGB für eheschutzrechtliche Unterhaltsbeiträge). Eine solche Auflage bedingt aber, dass eine Abänderungsklage auch Aussicht auf Erfolg hat.

Voraussetzung für eine Erhöhung des Unterhaltsbeitrages ist, dass sich die Verhältnisse des unterhaltspflichtigen Ehegatten erheblich verbessert haben. Ob eine Veränderung erheblich ist oder nicht, liegt im richterlichen Ermessen und ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Bei knappen Verhältnissen kann eine kleinere Veränderung eher erheblich sein als bei guten Verhältnissen.

Die Veränderung muss sodann nicht nur erheblich, sondern zudem dauerhaft und, was den nachehelichen Unterhalt betrifft, auch unvorhergesehen sein. Hat ein unterhaltspflichtiger Ehegatte zum Beispiel vorübergehend eine Lohneinbusse, geht dies zu seinen Lasten. Unvorhergesehen meint, dass die Veränderung bei der erstmaligen Festsetzung des Unterhaltsbeitrags noch nicht berücksichtigt werden konnte. Bei der Abänderung von Unterhaltsbeiträgen, die im Eheschutzverfahren festgelegt wurden, muss die Änderung demgegenüber nicht unvorhersehbar gewesen sein. Hier genügt es, dass die Veränderung der Verhältnisse erheblich und dauernd ist oder die tatsächlichen Umstände, die dem ersten Entscheid zugrunde lagen, sich nachträglich als unrichtig erwiesen haben (vgl. z.B. Urteil des Bundesgerichts 5A_618/2009 vom 14. Dezember 2009).

4. Verzicht auf Unterhaltsbeiträge

Liegt eine aussergerichtliche Vereinbarung oder ein gerichtlicher Vergleich vor, in welchem die unterstützte Person auf eheliche Unterhaltsbeiträge verzichtet, dürfen grundsätzlich keine fiktiven Unterhaltsbeiträge angerechnet werden. Allerdings kann bei einem Verdacht auf Rechtsmissbrauch im konkreten Einzelfall geprüft werden, aus welchen Gründen die Verzichtserklärung abgegeben wurde. Rechtsmissbrauch liegt beispielsweise dann vor, wenn der Verzicht einzig mit dem Ziel erfolgte, Sozialhilfegelder zu erwirken. Kann die Sozialbehörde Rechtsmissbrauch nachweisen, kann sie einen fiktiven Unterhaltsbeitrag anrechnen. Die Höhe desselben bestimmt sich nach den finanziellen Verhältnissen des (Ex-)Ehegatten der unterstützten Person.

Weiter kann geprüft werden, ob sich seit Rechtskraft des Urteils die finanzielle Situation einer der Parteien derart verändert hat, dass eine Abänderungsklage zu erheben wäre (vgl. vorstehend Ziff. 3).

5. Sicherung von Unterhaltsansprüchen

Gefährdete Unterhaltsansprüche können von der unterhaltsberechtigten Person oder - wenn der Unterhaltsanspruch durch Legalzession auf das unterstützende Gemeinwesen übergegangen ist - durch die Sozialbehörde wie folgt gesichert werden:

  • Eheschutzrichterliche Unterhaltsbeiträge: Gestützt auf Art. 177 ZGB kann beim zuständigen Eheschutzgericht ein Begehren um Anweisung an die Schuldner gestellt werden. Sind die Voraussetzungen erfüllt, weist das Gericht die Schuldner (in der Regel den Arbeitgeber des unterhaltspflichtigen Ehegatten) an, ihre Zahlungen ganz oder teilweise dem anderen Ehegatten bzw. der Sozialbehörde zu leisten. Über die Anweisung an die Schuldner wird im summarischen Verfahren entschieden (Art. 271 lit. a ZPO).
  • Nacheheliche Unterhaltsbeiträge: Vernachlässigt der unterhaltspflichtige Ehegatte die Erfüllung der Unterhaltspflicht, kann gestützt auf Art. 132 ZGB beim zuständigen Gericht eine Anweisung an die Schuldner verlangt werden. Sind die Voraussetzungen erfüllt, weist auch hier das Gericht die Schuldner des unterhaltspflichtigen Ehegatten an, ihre Zahlungen ganz oder teilweise dem anderen Ehegatten bzw. der Sozialbehörde zu leisten. Vernachlässigt der unterhaltspflichtige Ehegatte beharrlich die Erfüllung der Unterhaltspflicht oder ist anzunehmen, dass er Anstalten zur Flucht trifft, sein Vermögen verschleudert oder beiseite schafft, so kann er zudem verpflichtet werden, für die künftigen Unterhaltsbeiträge angemessene Sicherheit zu leisten. Über die Anweisung an die Schuldner wird im summarischen Verfahren entschieden (Art. 271 lit. i ZPO).

Die Anweisung an die Schuldner ist eine privilegierte Vollstreckungsform und geht einer allfälligen Lohnpfändung vor.

Sonderregelungen Asyl

In der Schweiz müssen Ehen vor dem Zivilstandsamt geschlossen werden. Eine religiöse Eheschliessung darf erst nach der Ziviltrauung durchgeführt werden (Art. 97 Abs. 3 ZGB ). Die so genannte "traditionelle Heirat" oder "nach Brauch geschlossene Ehe" ist in der Schweiz nur teilweise anerkannt. Die Sozialbehörde stützt sich auf den Entscheid des Staatssekretariats für Migration (SEM) und des örtlichen Zivilstandsamts. Ist die Ehe nach Brauch offiziell anerkannt, wird der Fall als eine Unterstützungseinheit geführt. Ist die Ehe nach Brauch nicht anerkannt, wird das Paar als ledig betrachtet und es müssen zwei Sozialhilfedossiers geführt werden. In diesen Fällen besteht keine eheliche Unterhaltspflicht.

Rechtsprechung

Urteil des Bundesgerichts 2A.485_2005 vom 17. Januar 2006: Nach Art. 25 ZUG ist der Wohnkanton für die Geltendmachung von Unterhalts- und Unterstützungsbeiträgen, die nach dem Zivilgesetzbuch auf das Gemeinwesen übergegangen sind, zuständig. Die Behörden im Aufenthaltskanton werden oftmals schon nicht legitimiert sein und auch keine andere Handhabe haben, von Dritten Zahlungen zu verlangen, geschweige denn durchzusetzen. Sodann wird ein Aufenthaltskanton, der sich veranlasst sieht, einen Bedürftigen "im Notfall" (vgl. Art. 14 und 30 ZUG) zu unterstützen und damit meist kurzfristig handeln muss, kaum die Möglichkeit zu umfassenden Abklärungen über die Leistungspflicht Dritter haben. Schliesslich ist die Notfallhilfe ausserhalb des Wohnkantons regelmässig nur auf eine kurze Zeit ausgerichtet (E. 2.6).