Verwandtenunterstützungspflicht - Auswirkungen auf die Sozialhilfe
Rechtsgrundlagen
Erläuterungen
1. Günstige Verhältnisse
Gemäss Art. 328 ZGB sind nur diejenigen Verwandten unterstützungspflichtig, die in günstigen Verhältnissen leben. Massgebende Bemessungsgrundlage ist das steuerbare Einkommen zuzüglich Vermögensverzehr.
Einkommen
Nach den SKOS-Richtlinien soll die Verwandtenunterstützungspflicht nur näher geprüft werden, wenn die Einkommenszahlen der in Privathaushalten lebenden Verwandten über folgenden Sätzen liegen:
Alleinstehende | Fr. 120'000.-- |
Verheiratete (und eingetragene Partner) | Fr. 180'000.-- |
Zuschlag pro minderjähriges oder in Ausbildung befindliches Kind | Fr. 20'000.-- |
Vermögen
Vom steuerbaren Vermögen ist ein Freibetrag abzuziehen, nämlich für
Alleinstehende | Fr. 250'000.-- |
Verheiratete (und eingetragene Partner) | Fr. 500'000.-- |
Zuschlag pro minderjähriges oder in Ausbildung befindliches Kind | Fr. 40'000.-- |
Der verbleibende Betrag soll aufgrund der durchschnittlichen Lebenserwartung umgerechnet (Jahresbetrag) und zum Einkommen gezählt werden.
2. Beitragsleistungen
Normalerweise wird die Verwandtenunterstützung in Form von Geldzahlungen geleistet. Sie kann aber auch durch Naturalleistungen, durch Aufnahme in den eigenen Haushalt oder in anderer Form geleistet werden. Diesbezüglich hat der Kanton einen gewissen Ermessensspielraum.
3. Geltendmachung der Verwandtenunterstützung
3.1. Prüfung der Verhältnisse / Einvernehmliche Festlegung von Beiträgen
Bevor Unterstützungsbeiträge geltend gemacht werden, müssen die Verhältnisse im Einzelfall genau geprüft werden. Leisten die pflichtigen Verwandten bereits einen aktiven Beitrag zur Bewältigung von Problemen der hilfebedürftigen Person, so ist dies angemessen zu berücksichtigten. Vor der Einforderung von Beiträgen ist zudem das Verhältnis zwischen der unterstützten Person und den pflichtigen Verwandten abzuklären. Denn nach Art. 329 Abs. 2 ZGB kann die Unterstützungspflicht ermässigt oder aufgehoben werden, wenn es wegen besonderer Umstände unbillig wäre, die Leistung von Beiträgen durch einen pflichtigen Verwandten zu verlangen (z.B. wegen eines schweren Verbrechens gegenüber dem Pflichtigen bzw. einer diesem nahe stehenden Person oder wegen Verletzung von familienrechtlichen Pflichten gegenüber dem Pflichtigen oder dessen Angehörigen). In die Prüfung mit einzubeziehen sind auch die möglichen Auswirkungen einer Geltendmachung der Unterstützungspflicht auf die hilfebedürftige Person. Ergibt die Abklärung der Verhältnisse, dass eine Verwandtenunterstützung grundsätzlich möglich ist, so ist zunächst zu versuchen, eine einvernehmliche Regelung mit den pflichtigen Personen zu finden (vgl. § 154 Abs. 3 SG).
3.2. Geltendmachung im Streitfall / Legalzession
Gemäss Art. 329 Abs. 3 ZGB in Verbindung mit Art. 289 Abs. 2 ZGB gehen die Ansprüche auf Verwandtenunterstützung durch Legalzession mit allen Rechten auf das unterstützende Gemeinwesen über, dieses tritt an die Stelle der unterstützten Person. Kommt also eine gütliche Einigung zwischen dem Amt für Gesellschaft und Soziales und den pflichtigen Verwandten nicht zustande, kann der Kanton seinen Anspruch durch Klageerhebung beim Zivilgericht durchzusetzen versuchen. Beantragt werden können dabei Beiträge für die Zukunft und für ein Jahr vor Klageerhebung (Art. 329 Abs. 3 ZGB in Verbindung mit Art. 279 Abs. 1 ZGB).
Bei Alleinerziehenden ist zu beachten, dass seit 1. Januar 2017 keine Verwandtenunterstützung mehr gefordert werden kann, wenn ihre Notlage darauf beruht, dass sie nur eingeschränkt oder gar nicht erwerbstätig sein können, weil sie eigene Kinder betreuen (Art. 329 Abs. 1bis ZGB;).
Nicht zulässig ist die Einforderung von Verwandtenunterstützungsbeiträgen durch Beschluss der Sozialbehörde oder eine Berücksichtigung von nicht geleisteten Beiträgen bei der Bedarfsberechnung. Zur verbindlichen Festlegung von umstrittenen Verwandtenunterstützungsbeiträgen ist ausschliesslich das Zivilgericht zuständig.
4. Verwandte im Ausland
Muss gegen im Ausland wohnende unterstützungspflichtige Verwandte geklagt werden, so kommt es darauf an, ob der betreffende Staat den Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen (SR 0.211.213.02) und über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (SR 0.211.213.01), beide vom 2. Oktober 1973, beigetreten ist (und keine entsprechenden Vorbehalte angebracht hat). Gestützt darauf kann nämlich am schweizerischen Wohnsitz des oder der Berechtigten nach hiesigem Zivilrecht geklagt werden. Damit solche Entscheide dann auch anerkannt bzw. durchgesetzt werden können, sind aber die im entsprechenden Übereinkommen enthaltenen Voraussetzungen zu beachten. Diesbezüglich können Probleme insbesondere dann entstehen, wenn der oder die Beklagte am hiesigen Gerichtsort nicht erscheint und ihm bzw. ihr die Klageschrift nicht ordnungsgemäss zugestellt werden kann. Handelt es sich um keinen Vertragsstaat oder besteht ein entsprechender Vorbehalt, so müsste im jeweiligen Land und wohl auch gemäss dortigem Recht geklagt werden. Wie in einem solchen Fall vorzugehen wäre bzw. ob sich dies überhaupt lohnen würde, könnte unter Umständen über das Bundesamt für Justiz, internationale Rechtshilfe, oder die zuständige Schweizer Botschaft in Erfahrung gebracht werden.
Sonderregelungen Asyl
Keine.
Rechtsprechung
Urteil des Bundesgerichts 2A.485_2005 vom 17. Januar 2006: Nach Art. 25 ZUG ist der Wohnkanton für die Geltendmachung von Unterhalts- und Unterstützungsbeiträgen, die nach dem Zivilgesetzbuch auf das Gemeinwesen übergegangen sind, zuständig. Die Behörden im Aufenthaltskanton werden oftmals schon nicht legitimiert sein und auch keine andere Handhabe haben, von Dritten Zahlungen zu verlangen, geschweige denn durchzusetzen. Sodann wird ein Aufenthaltskanton, der sich veranlasst sieht, einen Bedürftigen "im Notfall" (vgl. Art. 14 und 30 ZUG) zu unterstützen und damit meist kurzfristig handeln muss, kaum die Möglichkeit zu umfassenden Abklärungen über die Leistungspflicht Dritter haben. Schliesslich ist die Notfallhilfe ausserhalb des Wohnkantons regelmässig nur auf eine kurze Zeit ausgerichtet (E. 2.6).