Rückerstattung bei unrechtmässigem Verhalten
Rechtsgrundlagen
Erläuterungen
1. Rückerstattungstatbestände
Ein unrechtmässiger Sozialhilfebezug liegt vor, wenn die unterstützte Person objektiv zu viele Leistungen, also Leistungen ohne Rechtsgrund erhalten hat. Die Rückerstattungspflicht besteht demnach auch, wenn kein schuldhaftes Verhalten oder keine Pflichtverletzung der unterstützten Person vorliegt. Es können drei Fallgruppen unterschieden werden:
- Verletzung von Auskunfts- und Meldepflichten
- Zweckwidrige Verwendung
- ungerechtfertigte Bereicherung
2. Verletzung von Auskunfts- und Meldepflichten
Gemäss § 164 Abs. 1 SG liegt insbesondere bei Verletzung der Auskunfts- und Meldepflichten ein unrechtmässig erwirkter Leistungsbezug vor. Die Auskunfts- und Meldepflichten sind in § 17 SG unter dem Titel «Mitwirkungspflichten» geregelt. Relevant sind im vorliegenden Zusammenhang insbesondere folgende Pflichten:
- Pflicht, aktiv am Verfahren mitzuwirken, insbesondere über die massgebenden Verhältnisse alle erforderlichen Auskünfte wahrheitsgetreu und vollständig zu erteilen und soweit möglich zu belegen (Bst. a)
- Pflicht, Einsicht in schriftliche Unterlagen zu gewähren (Bst. b)
- Pflicht, Behörden und Institutionen zu ermächtigen, soweit erforderlich Auskunft zu erteilen (Bst. c)
- Pflicht, eingetretene Änderungen umgehend mitzuteilen (Bst. f)
Beispiele:
Einkünfte werden nicht bzw. zu spät gemeldet, Änderungen der Wohnsituation werden nicht bzw. zu spät gemeldet, Vermögenswerte (u.a. Konti).
Ein unrechtmässiger Bezug liegt auch vor, wenn eine unterstützte Person durch eine Meldepflichtverletzung bewirkt, dass die Sozialbehörde von einem ihr zustehenden Sicherungsrecht keinen Gebrauch machen kann. Wenn z.B. nicht realisierbares Vermögen verschwiegen wurde, und die Sozialbehörde die wirtschaftliche Hilfe demzufolge nur vorschussweise hätte ausrichten müssen, liegt ein unrechtmässiger Leistungsbezug vor.
Wenn die Auskunfts- und Meldepflicht verletzt wird, so muss die unterstützte Person beweisen, dass sie trotz der Verletzung der Auskunfts- oder Meldepflicht zu Recht wirtschaftlich unterstützt wurde. Dies jedenfalls soweit, also nicht offensichtlich ist, dass der Bezug der Sozialhilfeleistungen rechtmässig erfolgte. Kann die unterstütze Person nur einen Teilanspruch nachweisen, so ist sie für den Restbetrag rückerstattungspflichtig.
3. Zweckwidrige Verwendung
Ebenso gelten Geldleistungen, die trotz festgelegter Bedingungen und Auflagen und nach erfolgter Mahnung zweckwidrig verwendet werden, als unrechtmässig bezogen (§ 164 Abs. 2 SG). Die Pflicht, zweckgebundene Leistungen zweckmässig zu verwenden, wird in § 17 Abs. 1 Bst. e SG festgehalten.
Ein unrechtmässiger Bezug liegt erst vor, wenn durch die zweckwidrige Verwendung eine Doppelzahlung zur Verhinderung einer möglichen künftigen Notlage erforderlich wird (SKOS-Richtlinien E.1; Guido Wizent, Sozialhilferecht, Zürich/St. Gallen 2019, Rz 808).
Beispiel:
Die Sozialbehörde überweist der unterstützten Person den Betrag zur Begleichung des Mietzinses, diese verwendet das Geld aber nicht für die Mietzahlung, sondern gibt es anderweitig aus. Der Mietzins bleibt offen und die unterstützte Person hat gegenüber dem Vermieter Schulden, welche diesen ermächtigen, den Mietvertrag zu kündigen. Um zu verhindern, dass die unterstützte Person ihre Wohnung verliert, wird die Sozialbehörde in solchen Fällen den Mietzins oftmals noch einmal leisten, insbesondere dann, wenn es sich um eine günstige Wohnung handelt.
4. ungerechtfertigte Bereicherung
Schliesslich sind auch Geldleistungen, die bspw. infolge eines Irrtums des Sozialdienstes ausgerichtet werden und zu einer unrechtmässigen Bereicherung des Empfängers führen, unrechtmässig und müssen zurückerstattet werden. (Details siehe Beitrag "Rückerstattung wegen ungerechtfertigter Bereicherung).
5. Zuständigkeit
Die Zuständigkeit für die Verfahren betreffend Rückerstattung von unrechtmässig bezogenen Sozialhilfeleistungen liegt ab 1. Januar 2020 bei den Gemeinden (§ 164 Abs. 2quinquies Sozialgesetz [SG; BGS 831.1]), die in diesem Bereich als Sozialregionen organisiert sind. Für die Rückerstattungsverfahren im Bereich der rechtmässig bezogenen Sozialhilfeleistungen (vgl. § 14 SG) ist weiterhin der Kanton zuständig.
6. Verfahren
Es bestehen zwei alternative Varianten, die grundsätzlich gleichrangig sind:
- Der Abschluss einer Rückerstattungsvereinbarung stellt ein zweckmässiges Instrument dar, um Rückerstattungsfälle auf einvernehmliche, unbürokratische Art abzuwickeln. Die Vereinbarungen sind schriftlich zu treffen und beinhalten die Modalitäten (bspw. Anzahl und Höhe der Ratenzahlungen sowie Zahlungstermine) der Rückerstattung im konkreten Fall. Die Berechnung des Betrags, welcher zurückerstattet werden muss, soll nachvollziehbar aufgeführt werden. Zudem ist das Vorgehen bei Nichteinhaltung der Vereinbarung vertraglich zu regeln. Es ist vorzusehen, dass die Vereinbarung dahinfällt, wenn die Rückzahlungsbedingungen nicht eingehalten werden. In diesem Fall ist anschliessend eine Verfügung zu erlassen (s. sogleich).
Anlässlich des Abschlusses von Rückerstattungsvereinbarungen müssen die Sozialhilfeempfänger, die regelmässig über wenig juristisches Wissen und oft nur schlechte Deutschkenntnisse verfügen, über deren Tragweite informiert werden, sich zum Vertragsinhalt äussern und Anpassungswünsche anbringen können.
Anwendungsbereich: Primär in einfacheren Fällen, in welchen es um kleinere Beträge oder eindeutige Falschauszahlungen geht.
- Es kann eine Verfügung erlassen werden. Auch hier sind die Modalitäten der Rückerstattung im konkreten Fall zu regeln. Durch die separate und übersichtliche Auflistung der einzelnen Rechenpositionen soll der Betrag, welcher zurückerstattet werden muss, nachvollziehbar sein.
Anwendungsbereich: Der Erlass einer Verfügung ist v.a. bei komplexeren Sachverhalten und grösseren Summen angezeigt. Wenn eine Einigung nicht möglich ist, bleibt auch in einfacheren Fällen und bei eindeutigen Falschauszahlungen nur der Erlass einer Verfügung.
7. Verrechnung
Wurde eine Rückerstattung wegen unrechtmässigem Bezug beschlossen oder vereinbart, kann die Schuld der Klientin bzw. des Klienten mit dem laufenden Anspruch auf wirtschaftliche Hilfe verrechnet werden (Details siehe Beitrag "Verrechnung).
8. Härtefälle
Gemäss § 164 Abs. 4 SG kann in Härtefällen auf die Rückerstattung ganz oder teilweise verzichtet werden. Ein Härtefall liegt insbesondere vor, wenn die Rückerstattung
- das Erreichen der individuellen Zielvereinbarungen verhindert,
- die Integration gefährdet,
- aufgrund der gesamten Umstände unbillig erscheint oder
- unter Berücksichtigung der persönlichen und finanziellen Situation des Betroffenen nicht sinnvoll und zumutbar ist. Dies ist u.a. davon abhängig, ob Zahlungsmodalitäten gefunden werden, welche die Rückerstattung in betraglicher und zeitlicher Hinsicht als tragbar erscheinen lassen.
Auch das Verhalten der Sozialhilfe beziehenden Person ist zu berücksichtigen. Gutgläubigkeit spricht eher für einen Härtefall, während grobe Nachlässigkeit oder arglistiges/grobfahrlässiges Verhalten gegen das Vorliegen eines solchen spricht. Die Härtefallprüfung erfordert auf jeden Fall eine Gesamtwürdigung des konkreten Falls. Sie erfolgt auf Gesuch hin oder von Amtes wegen.
Beispiel:
Sehr oft wird aufgrund der finanziellen Situation (auch nach Ablösung von der Sozialhilfe) nur eine Rückerstattung in Raten in Frage kommen. Wenn diese aufgrund der Höhe des rückerstattungspflichtigen Betrags und der Höhe der Raten bspw. 10 Jahre dauern würde, ist die Rückerstattung nicht zumutbar. Es ist ein (Teil-)Verzicht zu prüfen.
9. Verzinsung
Unrechtmässig bezogene Sozialhilfeleistungen sind ab dem Zeitpunkt des Bezugs neu gemäss den Ansätzen der kantonalen Steuergesetzgebung (vgl. § 13 Steuerverordnung Nr. 10 über Bezug, Fälligkeit und Verzinsung der Haupt- und Nebensteuern vom 5. Juli 1994 [BGS 614.159.10]: 3 Prozent für das Jahr 2020, https://so.ch/verwaltung/finanzdepartement/steueramt/zahlungen/zinssaetze/) zu verzinsen. Der Verzugszins ist sowohl bei Abschluss einer Rückerstattungsvereinbarung als auch im Rahmen einer Rückerstattungsverfügung geschuldet.
Ausnahme: Bei Rückerstattungsforderungen aufgrund einer ungerechtfertigten Bereicherung ist mangels Fehlverhaltens der betroffenen Person kein Verzugszins geschuldet.
10. Verwirkung
Die Pflicht zur Rückerstattung verwirkt nach zehn Jahren seit der letzten Leistungszahlung (§ 164 Abs. 5 i.V.m. § 15 SG
Sonderregelungen Asyl
Keine.