Personen ohne Unterstützungswohnsitz - Bestimmung des zuständigen Aufenthaltsorts

Erläuterungen

1. Definition Aufenthaltsgemeinde

Die Aufenthaltsgemeinde einer Person befindet sich grundsätzlich dort, wo sie sich tatsächlich aufhält (Art. 11 Abs. 1 ZUG), ohne aber ihren Unterstützungswohnsitz zu haben

Beispiele:

  • die Anwesenheit ohne Niederlassungsabsicht, z.B. bei Personen auf Durchreise oder die vorübergehende Anwesenheit zu einem besonderen Zweck (z. B. Praktikum, Saisonstelle, Militärdienst)
  • die Anwesenheit einer Person in einem Heim, einem Spital, einer Anstalt oder einer Pflegefamilie, in die sie von einem anderen Kanton, einer anderen Gemeinde oder vom Ausland (Art. 5 ZUG) eingetreten ist
  • die Anwesenheit eines minderjährigen Kindes, dessen Wohnsitz sich in einem anderen Kanton oder in einer anderen Gemeinde befindet (Art. 7 ZUG)
  • die Anwesenheit einer Person, die infolge Abschiebung ihren bisherigen Wohnsitz in einem anderen Kanton oder einer anderen Gemeinde beibehalten hat (Art. 10 Abs. 2 ZUG)

(Siehe Thomet Werner, Kommentar zum Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger (ZUG), 2.A., Zürich 1994, Rz 167).

2. Zuständigkeit für die Hilfeleistung der Aufenthaltsgemeinde

2.1.      Zuständigkeit für die Leistung von Notfallhilfe

Ist eine Person ausserhalb ihres Wohnortes auf dringliche Hilfe angewiesen, muss der Aufenthaltskanton bzw. die Aufenthaltsgemeinde ihr diese zukommen lassen.

2.2.      Zuständigkeit für die Leistung ordentlicher Unterstützung

Personen ohne Unterstützungswohnsitz in der Schweiz, die sich hier ständig aufhalten und über eine Aufenthaltsberechtigung im Kanton Solothurn verfügen, müssen im Kanton Solothurn durch die Aufenthaltsgemeinde ordentlich unterstützt werden. Wenn eine Person ohne Unterstützungswohnsitz ihren ständigen Aufenthaltsort ohne behördliches Zutun verlässt, wird die neue Aufenthaltsgemeinde für die Unterstützung zuständig. Dasselbe gilt auch, wenn die betroffene Person - ohne dass die bisher zuständige Behörde hierfür Kostengutsprache geleistet hätte oder sie ärztlich in die Institution eingewiesen worden wäre - in eine Einrichtung in einer anderen Gemeinde eintritt.

Die Aufenthaltsgemeinde ist auch dann zuständig, wenn der Unterstützungswohnsitz einer Person nicht feststeht. Das ist z.B. dann der Fall, wenn unklar oder umstritten ist, ob eine Person ihren Wohnsitz in der früheren Wohngemeinde aufgegeben hat.

2.3.      Ausnahmen

Wird eine offensichtlich hilfsbedürftige Person (v.a. infolge Krankheit oder Unfall) auf ärztliche oder behördliche Anordnung in einen anderen Kanton oder eine andere Gemeinde verbracht, gilt der Kanton bzw. die Gemeinde als Aufenthaltsort, von wo aus die Zuweisung erfolgte (Art. 11 Abs. 2 ZUG). Der neue Aufenthaltsort ist sozialhilferechtlich weder für die Unterstützung noch für die Kostentragung zuständig.

Beispiele:

  • Eine drogenabhängige, wohnsitzlose Person wird in Olten unterstützt. Sie entschliesst sich zu einer Drogentherapie in Zürich. Olten leistet dafür Kostengutsprache und bleibt sozialhilferechtlich zuständig, auch wenn sich die betroffene Person während der Therapie in Zürich aufhält.
  • Eine Touristin macht auf einem Campingplatz in Grenchen Ferien. Sie erkrankt schwer und wird mit der Ambulanz in das nächstgelegene Spital Solothurn gebracht. Die sozialhilferechtliche Zuständigkeit bleibt in Grenchen.

3. Parallele Aufenthaltsorte bei Personen ohne Unterstützungswohnsitz

Der offengehaltene und nur auf das objektive Element der Anwesenheit an einem Ort abstellende Aufenthaltsbegriff bewirkt, dass eine Person den Aufenthaltsort häufig, also auch mehrmals täglich, wechseln kann. In besonderen Fällen können daher mehrere Orte als Aufenthaltsorte in Betracht kommen. Die Funktion des Aufenthaltsortes, das unterstützungspflichtige Gemeinwesen zu bestimmen, schliesst die Annahme mehrerer konkurrierender unterstützungsbegründender Aufenthalte aus. Ein Aufenthalt gilt deshalb als nicht unterbrochen, wenn eine Person sich vorübergehend anderswo aufhält. Bestehen in einem gleichen Zeitraum mehrere Aufenthaltsorte nebeneinander, muss an jenem Ort die Unterstützung geleistet werden, zu welchem die engste Beziehung besteht, und an welchen die betroffene Person immer wieder zurückkehrt.

Beispiele:

  • Eine Touristin ist im Tessin in den Ferien und hat dort eine Ferienwohnung für drei Wochen gemietet. Bei einem Ausflug nach Zürich verunfallt sie und muss medizinisch versorgt werden. Der Kanton Zürich muss zwar Notfallhilfe leisten, der Kanton Tessin bleibt aber der sozialhilferechtlich für die Kostentragung zuständige Aufenthaltskanton.
  • Ein Mann ohne Wohnsitz ist in einer Obdachloseneinrichtung in Biel untergebracht. Er ist über Ostern bei seiner Tante in Trimbach eingeladen und wird nach den Feiertagen wieder nach Biel zurückkehren. Die Unterstützungszuständigkeit bleibt in Biel.

Häufig liegt aber keine Konkurrenz verschiedener Aufenthaltsorte vor, weil sie nicht nebeneinander bestehen bleiben, sondern sich jeweils ablösen. Das ist der Fall, wenn jemand umherzieht und den Aufenthaltsort ständig wechselt, ohne Rückkehrabsichten zum vorherigen Aufenthaltsort bzw. ohne mit dem Aufenthalt am neuen Ort einen Sonderzweck zu verfolgen.

4. Der Wochenaufenthalt

Fallen Arbeits- oder Ausbildungsort mit Unterkunft und Wohnort einer Person auseinander, so gilt in der Regel der Wohnort, wo die Person auch gemeldet ist und ihre politischen Rechte ausübt, als Wohnsitz. Die Person hält sich lediglich zu einem Sonderzweck am Aufenthaltsort auf und die Unterstützungszuständigkeit bleibt beim Hauptdomizil. Der Aufenthaltsort muss höchstens Nothilfe leisten. Möchte das Hauptdomizil geltend machen, der Unterstützungswohnsitz befinde sich am Ort, wo eine Person als Wochenaufenthalterin gemeldet ist, ist es dafür beweispflichtig. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn

  • die betroffene Person kaum mehr an ihr Hauptdomizil zurückkehrt, obwohl dies zeitlich und örtlich möglich wäre
  • am Wochenaufenthaltsort über eine eigene Wohnung verfügt
  • am Wochenaufenthaltsort in einer festen Partnerschaft lebt
  • etc.

In diesen Fällen dient der Aufenthalt nicht mehr in erster Linie einem Sonderzweck, sondern die inneren und äusseren Elemente des Unterstützungswohnsitzes sind gegeben.

Sonderregelungen Asyl

Sozialhilfeabhängige Asylsuchende im Verfahren und vorläufig aufgenommene Asylsuchende können über ihren Wohnsitz nicht selbständig entscheiden. Die Wohnung oder Kollektivunterkunft wird ihnen von den Behörden zugewiesen.

Anerkannte und vorläufig aufgenommene Flüchtlinge geniessen Niederlassungsfreiheit. Für diese Personengruppen bestehen keine Sonderregelungen.

Rechtsprechung

Urteil des Bundesgerichts 2A.345/2002 (09.05.2003) vom 9. Mai 2003: Sozialhilfe, interkantonale Zuständigkeit bei einem Drogenabhängigen, der keinen Unterstützungswohnsitz mehr hat und sich in mehreren Kantonen in Institutionen behandeln lässt (Art. 4 ZUG; E. 2). Der Unterstützungswohnsitz kann (vorübergehend) ohne Ersatz aufgehoben werden (Art. 9 Abs. 3 ZUG; E. 3.2). Der Kanton Bern als vorübergehender Aufenthaltskanton kann nicht zur Übernahme der in einem andern Kanton angefallenen Therapiekosten verpflichtet werden, wenn die Zuweisung in das Heim nicht von Bern aus erfolgt ist (Art. 11 Abs. 2 ZUG; E. 3.2-3.5).