Anrechnung von Vermögen und Freibeträge
Rechtsgrundlagen
Erläuterungen
1. Anrechenbare Vermögenswerte
Neben dem Einkommen gehört auch das Vermögen des Klienten bzw. der Klientin sowie jenes der mit der antragstellenden Person zusammenlebenden Ehegatten bzw. eingetragenen Partner zu den eigenen Mitteln, welche bei der Bedarfsberechnung berücksichtigt werden.
Vor der Ausrichtung von wirtschaftlicher Hilfe ist (unter Vorbehalt von Notfällen) abzuklären, ob und allenfalls welche Vermögenswerte vorhanden sind. Darüber hat die um Hilfe ersuchende Person vollständig und wahrheitsgetreu sowie durch Vorlage von entsprechenden Unterlagen Auskunft zu geben.
Als anrechenbare Vermögenswerte kommen insbesondere in Betracht:
- Bargeld
- Bank- oder Postguthaben
- Guthaben an digitalen Zahlungsmitteln
- Edelmetalle
- Aktien, Obligationen, Wertpapiere
- Forderungen
- Wertgegenstände
- Privatfahrzeuge (vgl. dazu auch nachfolgend Ziff. 6)
- Grundeigentum
- Lebensversicherungen der freien beruflichen Vorsorge
Als Vermögen gilt auch das so genannte Pekulium, welches Personen im Strafvollzug als Entgelt für geleistete Arbeit erhalten und das ihnen während der Dauer der Freiheitsentziehung gutgeschrieben wird (Art. 83 StGB). Der Gefangene kann während des Vollzugs nur über einen Teil seines Pekuliums frei verfügen. Aus dem anderen Teil wird für die Zeit nach der Entlassung eine Rücklage gebildet. Das Ersparte gilt als Vermögen und ist entsprechend bei der Prüfung des Anspruchs auf wirtschaftliche Hilfe zu berücksichtigen.
Grundsätzlich ist die Verwertung von allen tatsächlich verfügbaren oder kurzfristig realisierbaren Mitteln Voraussetzung für die Gewährung von materieller Hilfe. Solche Vermögenswerte werden bei der Beurteilung der Bedürftigkeit mit einbezogen. Zu beachten sind dabei die Freibeträge, die im konkreten Fall zur Anwendung gelangen (vgl. nachstehend Ziff. 6). Nur Vermögen, das über den Freibetrag hinausgeht, muss, soweit dies möglich ist, realisiert werden.
Zu einer (vollen oder teilweisen) Realisierung von Vermögenswerten kommt es, wenn die um Hilfe ersuchende Person ein entsprechendes Rechtsgeschäft abschliesst und dadurch für den Lebensunterhalt verfügbare (liquide) Mittel erhält. Dies kann z.B. durch Veräusserung oder (wenn dies nicht in Frage kommt) unter Umständen auch durch Verpfändung oder Vermietung erfolgen. Ob eine Realisierung von Vermögenswerten (vor allem von Grundeigentum) verlangt werden darf, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Diesen muss angemessen Rechnung getragen werden.
Ist dem oder der Hilfesuchenden die Realisierung von erheblichen, den Freibetrag übersteigenden Vermögenswerten nicht möglich oder nicht zumutbar, so können diese für die Bemessung der Sozialhilfe unberücksichtigt bleiben. Allerdings setzt dies in der Regel voraus, dass der oder die Hilfesuchende sich schriftlich verpflichtet, die Sozialhilfeleistungen bei Realisierbarkeit der Vermögenswerte zurückzuerstatten. Zudem ist eine pfandrechtliche Sicherstellung zu ermöglichen.
Nicht als anrechenbares Vermögen zu behandeln ist das Guthaben, welches eine Person dank einer ausserordentlich bescheidenen Lebensführung aus den ausgerichteten Sozialhilfeleistungen angespart hat. Ein solches Guthaben ist als eine Art Rücklage aus dem geleisteten Grundbedarf für den Lebensunterhalt zu betrachten. Es ist nicht zulässig, die wirtschaftliche Hilfe einzustellen, wenn das Guthaben den im konkreten Fall anwendbaren Freibetrag übersteigt.
2. Persönliche Effekten und Hausrat
Persönliche Effekten und Hausrat gehören zum unantastbaren bzw. nicht anrechenbaren Besitz, soweit sie unentbehrlich sind. Dies entspricht den unpfändbaren Vermögenswerten nach Art. 92 SchKG.
3. Kindesvermögen
Das Kindesvermögen umfasst alle dem Kind zustehenden Vermögenswerte (z.B. Schenkungen, Erbgang, Arbeitserwerb, Unterhalts-, Schadenersatz- und Versicherungsleistungen, Erträgnissen etc.). Vermögen von minderjährigen Kindern darf nur im Rahmen des Kindesrechts angerechnet werden:
Erträge des Kindesvermögens können grundsätzlich für die Deckung von Unterhalt, Erziehung und Ausbildung des Kindes herangezogen und, soweit es der Billigkeit entspricht, auch für die Bedürfnisse des Haushaltes verwendet werden (Art. 319 ZGB). Demzufolge ist sozialhilferechtlich grundsätzlich die Anrechnung solcher Erträge als Einnahmen des Kindes zulässig. Eine Ausnahme besteht nach Art. 321 Abs. 1 ZGB allerdings dann, wenn das fragliche Vermögen dem Kind
- mit der Auflage, dass die Erträge nicht zur Deckung des Lebensunterhalts verwendet werden dürfen
- mit der Bestimmung, dass das Vermögen zinstragend angelegt werden muss oder
- als Spargeld zugewendet wurde.
Trifft einer dieser Fälle zu, dürfen die Erträge des Kindesvermögens nicht angerechnet werden.
Sodann dürfen Abfindungen, Schadenersatz und ähnliche Leistungen in Teilbeträgen entsprechend den laufenden Bedürfnissen für den Unterhalt des Kindes verbraucht werden (Art. 320 Abs. 1 ZGB). Solche Vermögenswerte dürfen entsprechend im Rahmen der Sozialhilfe angerechnet werden, d.h. die Teilbeträge sind im Budget als Einnahmen des Kindes einzusetzen.
Soll auf das übrige Kindesvermögen zurückgegriffen werden, braucht es nach Art. 320 Abs. 2 ZGB die Einwilligung der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde. Diese kann den Eltern gestatten, das übrige Kindesvermögen in bestimmten Beträgen anzugreifen, wenn das für die Bestreitung der Kosten des Unterhalts, der Erziehung oder der Ausbildung des Kindes notwendig ist. Bei einer Sozialhilfe beziehenden Familie wird von den Eltern erwartet, dass sie um eine solche Bewilligung ersuchen. Andernfalls kann auch das Sozialhilfeorgan an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde gelangen. Sobald die Einwilligung der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde vorliegt, können die bewilligten Beträge als Einnahmen des Kindes angerechnet werden.
Unter der Verwaltung und Nutzung des Kindes stehen schliesslich nach Art. 323 Abs. 1 ZGB, was das Kind durch eigene Arbeit erwirbt und was es von den Eltern aus seinem Vermögen zur Ausübung eines Berufes oder eines eigenen Gewerbes herausbekommt. Erzielt das Kind ein Erwerbseinkommen, welches höher ist als die Kosten für seinen eigenen Unterhalt, fällt der Rest in sein Vermögen.
Das geschützte Kindesvermögen ist auf einem separaten, auf den Namen des Kindes lautenden Konto zu verwalten (vgl. SKOS-Richtlinien D.3.4, Erläuterung b). Solche «Sperrkonten» werden von den Banken oft für die Eltern gesperrt und werden bei der Budgetberechnung nicht berücksichtigt.
Von geschütztem Kindesvermögen kann nicht ohne weiteres ausgegangen werden, wenn sich Vermögensbeträge auf einem auf die Eltern oder ein Elternteil lautenden Konto befinden. Zeigt sich auf den Kontoauszügen, dass diese Beträge von den Eltern nachweislich für den Unterhalt des Kindes verwendet werden, können sie bei der Budgetberechnung berücksichtigt werden. Ist von geschütztem Kindesvermögen auszugehen, gelten die diesbezüglich aufgeführten Grundsätze.
4. Berücksichtigung von Geschäftsvermögen
Vermögensbestandteile der unterstützten Person, die in ihr Geschäft investiert sind und welche zur Weiterführung der (mangels Rentabilität nicht ohnehin aufzugebenden) selbständigen Erwerbstätigkeit erforderlich sind, gelten als nicht realisierbar. In der Regel hat die Hilfe suchende Person eine Rückerstattungsverpflichtung zu unterzeichnen.
5. Schranken des Besitzes und Gebrauchs von Motorfahrzeugen durch Sozialhilfebeziehende (Grundsätze)
Für den Besitz und den Gebrauch von Motorfahrzeugen durch Sozialhilfebeziehende bestehen folgende allgemeine Schranken:
- Wer ein Auto nicht aus gesundheitlichen oder beruflichen Gründen zu Eigentum hat, besitzt oder benutzt, dem werden die Sozialhilfeleistungen um den Wert der Aufwendungen (Vermögenswert und Betriebskosten) gekürzt. Wird ein Auto von verwandten oder bekannten Personen zur Verfügung gestellt, wird der Wert dieser Naturalleistung als Einnahme berechnet. Um den anrechenbaren Wert zu berechnen, gelten in beiden Fällen allgemein anerkannte Taxschemen (§ 93 Bst. k SV)
- Das Auto oder weitere Motorfahrzeuge werden als Vermögen angerechnet. Wenn der Wert des Fahrzeuges über dem Vermögensfreibetrag liegt, ist der Verkauf zu verlangen.
- Durch die Kosten für den Gebrauch des Motorfahrzeuges dürfen die elementaren Lebensbedürfnisse der Sozialhilfebeziehenden oder die Bedürfnisse ihrer Familienangehörigen nicht in zweckwidriger Weise beeinträchtigt werden. Eine solche Beeinträchtigung liegt vor, wenn aufgrund der Kosten für das Motorfahrzeug die Ausgabenpositionen des Grundbedarfs für den Lebensunterhalt nicht oder ungenügend gesichert werden. Dazu gehören insbesondere die Ausgaben für Nahrungsmittel und Getränke, Gesundheitspflege, Bekleidung und Schuhe sowie Körperpflege. Besteht die Gefahr einer Beeinträchtigung, kann die Auflage zur Hinterlegung des Nummernschilds verfügt werden.
6. Freibeträge
Zur Stärkung der Eigenverantwortung und zur Förderung des Selbsthilfewillens wird zu Beginn der Unterstützung ein Vermögensfreibetrag zugestanden. Dieser beträgt gem. § 93 Abs. 1 Bst. j SV:
- Fr. 2‘000.- für Einzelpersonen
- Fr. 4‘000.- für Ehepaare und
- Fr. 1‘000.- für jedes minderjährige Kind
- jedoch maximal Fr. 5‘000.- pro Familie.
Vermögen, welches die im konkreten Fall anwendbare Freibetragsgrenze nicht überschreitet, ist der unterstützen Person also unangetastet zu überlassen.
Leistungen aus Genugtuung und Integritätsentschädigungen sind nur so weit anzurechnen, als die folgenden Vermögensfreigrenzen überschritten werden: Einzelperson Fr. 30'000.-, Ehepaare Fr. 50'000.-, zuzüglich pro minderjähriges Kind Fr. 15'000.-, maximal Fr. 65'000.- pro Familie; massgeblich ist die Grösse der Unterstützungseinheit. Dadurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die betreffenden Personen einen immateriellen Schaden erlitten haben und ihnen ein gewisser Ausgleich zugestanden werden muss.
Sonderregelungen Asyl
Sonderregelung für Personen mit Status S:
- Ukrainische Fahrzeuge können gemäss einer Weisung des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) in der Schweiz benutzt werden. Laufende Unterhaltskosten können von der Sozialhilfe allerdings nur übernommen werden, wenn das Fahrzeug aus gesundheitlichen oder beruflichen Gründen notwendig ist. Wenn dies nicht der Fall ist, müssen diese Kosten aus dem Grundbedarf bestritten werden. Vermögenserhaltende Kosten wie z.B. Leasingraten können nicht aus der Sozialhilfe bezahlt werden.
Wenn bei Personen mit Status S innerhalb von 12 Monaten seit Einreise keine Rückkehr erfolgt, ist der Autobesitz nach den Regeln der Sozialhilfe zu behandeln. Autos sind demnach zu veräussern, wenn ihr Wert den Vermögensfreibetrag für die massgebliche Haushaltsgrösse übersteigt. Der Wert kann via die kostenlosen Internetseiten autoscout24.ch, comparis.ch oder ricardo.ch bestimmt werden. Mittels der kostenpflichtigen Plattform eurotax.ch kann zudem eine umfangreiche Wertbestimmung vorgenommen werden. Ausnahmen gelten, wenn eine unterstützte Person auf das Auto aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen angewiesen ist (vgl. Praxisbeispiel ZESO 3/22). Zu beachten ist aber, dass ein Auto zuerst eingeführt und verzollt werden muss, bevor es verkauft werden kann. Die vom BAZG für Personen aus der Ukraine angebotene Zollbewilligung beinhaltet noch keine Verzollung. Die Einfuhrkosten betragen gemäss Bundesamt insgesamt ungefähr 14 % des Werts eines Fahrzeuges. Weiter ist zu beachten, dass die schweizerische Verkehrszulassung dieser Fahrzeuge in vielen Fällen mit erheblichem Aufwand verbunden oder gar nicht möglich ist, weil die erforderlichen Dokumente nicht vorgelegt werden können. Nicht zugelassene Fahrzeuge lassen sich in der Schweiz in der Regel nicht verkaufen. Das BAZG empfiehlt deshalb, vor der Verzollung des Fahrzeuges die Möglichkeit der Verkehrszulassung eines Fahrzeuges in der Schweiz beim zuständigen Strassenverkehrsamt abzuklären. Auch kann vorgängig bei einer Garage abgeklärt werden, ob eine Zulassung realistisch ist und mit welchem finanziellen Aufwand für die allfällige Umrüstung zu rechnen ist. Sinnvoll ist ein Verkauf erst, wenn der mutmassliche Erlös die Kosten der Einfuhr (inkl. Zollkosten) deutlich übersteigt und die Verkehrszulassung möglich ist. Wird die kostenpflichtige Einfuhr und die Veräusserung eines Fahrzeuges verlangt, kann die Sozialhilfe die Einfuhrkosten vorschussweise übernehmen.
Als Alternative kann grundsätzlich die Hinterlegung des Kontrollschildes verlangt werden. Im Kanton Solothurn können allerdings bei der Motorfahrzeugkontrolle keine ausländischen Nummernschilder hinterlegt werden. Dies ist erst möglich, wenn das Fahrzeug zuerst in der Schweiz zugelassen wurde und schweizerische Nummernschilder hat.
Der Verkauf eines Autos und die Hinterlegung der Nummernschilder dürften somit nur in Ausnahmefällen in Frage kommen. Das Vorgehen gemäss § 93 Abs. 1 Bst. SV ist hingegen auch für Schutzssuchende mit Status S umsetzbar. Die Sozialhilfe kann aber gegebenenfalls lediglich um den Wert der Betriebskosten gekürzt werden, da eine Verwertung des Vermögenswertes praktisch nicht möglich ist und die Betroffenen einer entsprechenden Auflage gar nicht nachkommen können.
- Von Personen mit Schutzstatus S geleaste Autos stehen nicht in deren Eigentum. Die Sozialhilfe kann deshalb den Verkauf von geleasten Autos nicht verlangen. Dies bedeutet aber nicht, dass die Sozialhilfe die Leasinggebühren übernehmen kann, denn diese dienen nicht der Existenzsicherung,
- Auf die Anrechnung von Vermögenswerten, die sich in der Ukraine befinden, ist zu verzichten, wenn davon auszugehen ist, dass nahestehende Personen mit diesen Mitteln ihren Lebensunterhalt bestreiten.