Erweiterte Sachverhaltsabklärung bei familienähnlichen Wohn- und Lebensgemeinschaften bzw. Zweck-Wohngemeinschaften

Erläuterungen

1. Allgemeine Ausführungen

Stellt eine Person, welche mit einem oder mehreren anderen Erwachsenen zusammenlebt, einen Antrag auf Sozialhilfe, muss im Rahmen der Anspruchsprüfung abgeklärt werden, welcher Natur die Beziehung zwischen der antragstellenden Person und den anderen in ihrem Haushalt lebenden Personen ist. Für die Unterstützung ist es nämlich relevant, ob die betroffene Person in einer familienähnlichen Wohn- und Lebensgemeinschaft oder in einer Zweck-Wohngemeinschaft lebt. Je nachdem, wie sich die Beziehung darstellt, gelten bei der Bemessung des Anspruchs unterschiedliche Grundsätze. Diese sind entscheidend für das weitere Vorgehen der Sozialbehörde. Die Sozialbehörde hat den Sachverhalt aufgrund der Unterlagen und durch Befragung der betroffenen Personen zu klären.

2. Familienähnliche Wohn- und Lebensgemeinschaften

2.1.      Grundsätzliches

Unter den Begriff familienähnliche Wohn- und Lebensgemeinschaften fallen Paare oder Gruppen, welche die Haushaltsfunktionen (Wohnen, Essen, Waschen, Reinigen usw.) gemeinsam ausüben und/oder finanzieren. Sie leben also zusammen, ohne eine Unterstützungseinheit zu bilden. Als Beispiele sind Konkubinatspaare oder Eltern, die mit ihren volljährigen Kindern zusammenwohnen, zu nennen (vgl. SKOS-Richtlinien C.3.1 Erläuterung b).

2.2.      Das Konkubinat

Definition

Von einem Konkubinat wird gesprochen, wenn zwischen zwei zusammenlebenden, nicht miteinander verheirateten Personen gleichen oder unterschiedlichen Geschlechts eine dauerhafte Lebensgemeinschaft besteht, welcher grundsätzlich Ausschliesslichkeitscharakter zukommt und die im Allgemeinen sowohl eine geistig-seelische wie auch eine körperliche und eine wirtschaftliche Verbundenheit aufweist (Definition in Anlehnung an Claudia Hänzi, Die Richtlinien der schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe, S. 216, Basel 2011).

Beim Konkubinat handelt es sich nicht um einen Rechtsbegriff. Der Gesetzgeber hat wiederholt darauf verzichtet, die nichteheliche Gemeinschaft gesetzlich zu regeln.

Das Konkubinat wirkt sich auf die Anspruchsprüfung und Bemessung der Sozialhilfe aus. Es wird dabei unterschieden zwischen dem stabilen und dem einfachen bzw. nicht stabilen Konkubinat. Ausserdem ist es relevant, ob nur einer oder beide Konkubinatspartner wirtschaftliche Hilfe beziehen.

Das einfache oder nicht stabile Konkubinat:

Von einem nicht stabilen oder einfachen Konkubinat wird ausgegangen, wenn die Lebensgemeinschaft noch keine zwei Jahre angedauert hat und das Paar nicht mit gemeinsamen Kindern zusammenlebt. Muss nur ein Konkubinatspartner unterstützt werden, kann wie bei anderen Wohn- und Lebensgemeinschaften die Anrechnung einer Entschädigung für die Haushaltsführung geprüft werden.

Weiter muss der nicht unterstützte Konkubinatspartner sämtliche Kosten, die er verursacht selber tragen. Dies betrifft die Aufwendungen für den Grundbedarf, den auf ihn fallenden Anteil an den Wohnkosten oder an situationsbedingten Leistungen. Bei der Bedarfsberechnung für die unterstützte Person (und allfällige minderjährige nicht gemeinsame Kinder) wird zunächst der Gesamtbedarf für den Haushalt berechnet. Die Kosten werden innerhalb der Gemeinschaft nach Pro-Kopf-Anteilen getragen. Es wird also nur der auf die Unterstützungseinheit fallende Betrag in der Bedarfsberechnung berücksichtigt.

Das stabile Konkubinat

Von einem stabilen Konkubinat wird gesprochen, wenn die Lebensgemeinschaft bereits länger als zwei Jahre andauert oder das Paar mit gemeinsamen Kindern einen Haushalt führt. Dass bei Vorliegen dieser Kriterien von einem stabilen Konkubinat ausgegangen werden kann, ist eine Vermutung, die von den Betroffenen widerlegt werden kann. Das bedeutet, dass sie den Beweis führen müssen, dass trotz Vorliegen der für die Annahme eines stabilen Konkubinats relevanten Umstände ein solches im konkreten Fall nicht gegeben ist, dass also kein gegenseitiger Beistand wie in einer Ehe zu erwarten ist oder tatsächlich erbracht wird.

Ist nur einer der beiden Partner bedürftig, ist das Einkommen und Vermögen der nicht unterstützten Person angemessen zu berücksichtigen und die Anrechnung eines Konkubinatsbeitrags zu prüfen.

Unterstützung beider Konkubinatspartner

Konkubinatspaare, bei denen beide Partner unterstützt werden, sollen materiell nicht bessergestellt sein als ein unterstütztes Ehepaar. Das Budgetvolumen soll in diesen Fällen nicht grösser sein als das eines Paares oder einer Familie in äusserlich gleichen Verhältnissen. Es kommt hier nicht darauf an, ob ein stabiles Konkubinat vorliegt oder nicht.

2.3.      Weitere familienähnliche Wohn- und Lebensgemeinschaften

Unter den Begriff der familienähnlichen Wohn- und Lebensgemeinschaften fallen auch weitere Erwachsene, die die Haushaltsfunktionen (Wohnen, Essen, Waschen, Reinigung, Telefonieren, Internetanschlüsse etc.) gemeinsam ausüben und finanzieren. Beispiele dafür sind volljährige Kinder, welche bei den Eltern leben. Aber auch Geschwister oder zusammenlebende Freundinnen und Freunde können eine familienähnliche Wohn- und Lebensgemeinschaft bilden. Eine geschlechtliche Beziehung oder eine gemeinsame Lebensplanung stellen keine Voraussetzungen für die Annahme einer familienähnlichen Wohn- und Lebensgemeinschaft dar. Wesentlich ist nur, dass die Haushaltsfunktionen gemeinsam ausgeübt und finanziert werden, also keine reine Zweck-Wohngemeinschaft (siehe unten Ziffer 3) vorliegt.

3. Die Zweck-Wohngemeinschaft

Unter den Begriff Zweck-Wohngemeinschaften fallen Personengruppen, deren Zusammenwohnen hauptsächlich den Zweck hat, die Miet- und Nebenkosten gering zu halten. Die Ausübung und Finanzierung der Haushaltsfunktionen (Wohnen, Essen, Waschen, Reinigen usw.) erfolgt vorwiegend getrennt (SKOS-Richtlinien C.3.2 Erläuterung b). Darunter fallen beispielsweise Untermietverhältnisse, bei welchen neben der Zimmernutzung keine weiteren Haushaltfunktionen geteilt werden oder Studentenwohngemeinschaften, die zwar gemeinsam eine Wohnung gemietet haben, aber getrennt haushalten.

4. Auswirkungen auf die Sozialhilfe

4.1.      Grundsätze

Personen, die mit anderen Erwachsenen zusammenleben, ohne eine Unterstützungseinheit zu bilden, sind in der Regel rechtlich nicht zur gegenseitigen Unterstützung verpflichtet. Einkommen und Vermögen der verschiedenen Personen dürfen daher nicht zusammengerechnet werden, sondern es muss für jede unterstützte Person ein individuelles Unterstützungskonto geführt werden. Das gilt auch dann, wenn Eltern gegenüber ihren volljährigen, sich noch in Ausbildung befindenden Kindern grundsätzlich unterhaltspflichtig sind oder eine Verwandtenunterstützungspflicht vorliegt. Nicht unterstützte Personen müssen aber sämtliche Kosten, die sie verursachen, selber tragen. Dies betrifft die Aufwendungen für den Grundbedarf, den auf sie fallenden Anteil an den Wohnkosten oder an situationsbedingten Leistungen.

4.2.      Abklärung der Form des Zusammenlebens

Die Annahme einer gemeinsamen Haushaltsführung bedingt vorab eine Wohnsituation, die sich durch gemeinsame Nutzung von Räumen kennzeichnet; erforderlich ist ferner die Absicht der Betroffenen, den Haushalt ganz oder zumindest hauptsächlich gemeinsam zu führen. Bei Konkubinaten und zusammenlebenden Familienmitgliedern (Eltern mit volljährigen Kindern, Geschwister), kann grundsätzlich von einer gemeinsamen Haushaltführung ausgegangen werden. Denn bei diesen Gemeinschaften liegt eine gewisse emotionale Verbundenheit ihrer Mitglieder vor, die über die blosse Untermiete hinausgeht. Eine persönliche Nähe und grosse Kooperationsbereitschaft zwischen den Wohnpartnern lassen auf ein gemeinschaftliches Wirtschaften schliessen (Claudia Hänzi, Die Richtlinien der schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe, Basel 2011, S. 211). In diesen Fällen ist daher eine Wohngemeinschaft mit gemeinsamer Haushaltsführung zu vermuten, so dass es hier Sache der unterstützten Person ist, eine ganz oder teilweise getrennte Haushaltsführung nachzuweisen und so die Vermutung umzustossen.

Bei miteinander wohnenden Freundinnen und Freunden braucht es genauere Abklärungen. Ob im konkreten Einzelfall in einer Wohngemeinschaft das für die Berechnung der Höhe der wirtschaftlichen Hilfe relevante Kriterium des „gemeinsamen Haushaltens“ zutrifft, bedarf im beidseitigen Interesse einer seriösen Abklärung, welche primär im Gespräch mit der gesuchstellenden Person vorzunehmen ist. Reine Mutmassungen der Sozialbehörde reichen angesichts der vielfältigen Formen und Abstufungen des Zusammenlebens in Wohngemeinschaften in der Regel nicht aus für einen die betroffene Person beschwerenden Entscheid. Gemeinsam genutzte Telefon-, Internet- oder TV-Anschlüsse, die gemeinsame Anschaffung von Nahrungsmitteln oder Haushaltsgegenständen, keine abgeteilten Kühlschrankfächer etc. können dabei als Indizien für das Vorliegen einer familienähnlichen Wohn- und Lebensgemeinschaft dienen. Die Annahme einer familienähnlichen Wohn- und Lebensgemeinschaft und damit eines Mehrpersonenhaushalts bei der Bedarfsberechnung setzt wie erwähnt voraus, dass die betreffenden Personen alle oder mindestens wichtige Haushaltsfunktionen gemeinsam ausüben und finanzieren. Nicht erforderlich ist hingegen - wie das Beispiel der heute häufig gebildeten Wohngemeinschaften ("WG") zeigt - eine enge persönliche Beziehung zwischen den beteiligten Personen. Damit ein gemeinsamer Haushalt vorliegt, ist von einer gewissen Dauerhaftigkeit des gemeinschaftlichen Wohnens auszugehen. Aus einer bloss gelegentlichen Beherbergung im Rahmen von verwandtschaftlichen Besuchen folgt noch keine gemeinsame Haushaltsführung.

Die betroffene Person trifft eine umfassende Mitwirkungspflicht bei den Abklärungen der Zusammenlebensform.

4.3.      Zusätzlich notwendige Unterlagen

Bei familienähnlichen Wohn- und Lebensgemeinschaften muss auch geprüft werden können, ob eine Haushaltsführungsentschädigung oder ein Konkubinatsbeitrag geltend gemacht werden kann (SKOS-Richtlinien D.4.4, D.4.5). Sind die Voraussetzungen für die Prüfung einer Haushaltsentschädigung oder eines Konkubinatsbeitrags gegeben, müssen die wirtschaftlichen Verhältnisse der allenfalls pflichtigen Person offengelegt werden. Insbesondere muss die gesuchstellende Person zusätzlich Unterlagen der allenfalls pflichtigen Person einreichen zu

  • den Einkommensverhältnissen (z.B. Lohnausweis, Rentenbelege, Steuerbelege, Bescheinigungen Arbeitslosen- oder anderer Taggelder, Stipendienbescheinigung, Unterlagen zu weiteren regelmässigen Zahlungseingängen)
  • den Berufsauslagen
  • Vermögen (Unterlagen zu Bankkonten, Wertpapieren, Darlehen, Immobilien, Erbschaftsanteilen, Lebensversicherungen, Geschäftsanteilen)
  • Steuerverpflichtungen
  • Alimentenverpflichtungen
  • Krankenversicherungen (Policen)
  • weiteren Privatversicherungen (Hausrat- und Haftpflichtversicherungen Zusatzversicherungen)
  • Schulden und Abzahlungen (Schuldbelege, Abzahlungsnachweise, Angaben über allfällige Betreibungen / Lohnpfändungen)
  • Unterhaltskosten für ein Motorfahrzeug (Steuern, Versicherungsprämien etc.)
  • weiteren begründeten Auslagen.

Sonderregelungen Asyl

Keine.