Arbeitslosenversicherung: Überblick

Erläuterungen

1. Zweck

Das AVIG will einerseits einen angemessenen Ersatz für Erwerbsausfälle wegen Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, schlechtem Wetter und Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin bieten, anderseits durch arbeitsmarktliche Massnahmen zugunsten von versicherten Personen drohende Arbeitslosigkeit verhüten und bestehende Arbeitslosigkeit bekämpfen und die rasche und dauerhafte Eingliederung in den Arbeitsmarkt fördern (Art. 1a AVIG).

Gegen Arbeitslosigkeit sind nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und bestimmte Kategorien von vorher Nichterwerbstätigen (vgl. Art. 14 AVIG), jedoch keine Selbständigerwerbenden versichert. Finanziert wird die Arbeitslosenversicherung durch Beiträge der Versicherten sowie unter Umständen aus Mitteln des Bundes und der Kantone.

2. Leistungen der Arbeitslosenversicherung

Es werden folgende Leistungen ausgerichtet: Arbeitslosenentschädigung, Kurzarbeitsentschädigung, Schlechtwetterentschädigung und Insolvenzentschädigung.

Ferner werden Beiträge gewährt an effiziente Beratung und Vermittlung, arbeitsmarktliche Massnahmen für versicherte Personen und an weitere, in Art. 73 ff. AVIG vorgesehene Massnahmen wie angewandte Arbeitsmarktforschung oder Pilotversuche, um Erfahrungen mit neuen arbeitsmarktlichen Massnahmen zu sammeln, um bestehende Arbeitsplätze zu erhalten, um Arbeitslose wieder einzugliedern etc. (Art. 7 Abs. 2 AVIG).

Zu den arbeitsmarktlichen Massnahmen gehören namentlich: Einarbeitungszuschüsse (an Personen mit erschwerter Vermittelbarkeit und vermindertem Lohn, Art. 65 AVIG), Ausbildungszuschüsse (Art. 66a AVIG), Pendler- und Wochenaufenthalterbeiträge (Art. 68 AVIG und Art. 69 AVIG bzw. Art. 70 AVIG) und Unterstützungen zur Förderung einer selbständigen Erwerbstätigkeit (Art. 71a AVIG).

2.1.      Arbeitslosenentschädigung

2.2.1.   Anspruchsvoraussetzungen

Folgende Anspruchsvoraussetzungen müssen erfüllt sein.

  • Arbeitslosigkeit: Diese kann ganz (Vollzeitbeschäftigung wird gesucht) oder teilweise (ohne Kurzarbeit) sein (vgl. Art. 10 AVIG). Nach der Kündigung sollten Betroffene sich intensiv (und belegbar) um eine neue Stelle bemühen (vgl. Art. 16 AVIG). Möglichst frühzeitig, spätestens aber am ersten Tag der Arbeitslosigkeit, haben sie sich beim zuständigen Gemeindearbeitsamt zu melden.
  • Anrechenbarer Arbeitsausfall: Ein Ausfall ist dann anrechenbar, wenn er einen Verdienstausfall bewirkt und mindestens zwei aufeinanderfolgende volle Arbeitstage dauert (vgl. Art. 11 AVIG, Art. 4 ff. AVIV).
  • Wohnsitz in der Schweiz. In Abweichung von Art. 13 ATSG gelten Ausländer ohne Niederlassungsbewilligung als in der Schweiz wohnend, solange sie sich auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung zur Erwerbstätigkeit oder einer Saisonbewilligung tatsächlich in der Schweiz aufhalten (Art. 12 AVIG).
  • Obligatorische Schulzeit zurückgelegt und weder AHV-Alter erreicht noch Bezug einer Altersrente der AHV.
  • Beitragszeit erfüllt (Art. 13 AVIG) oder davon befreit (Art. 14 AVIG).
  • Vermittlungsfähigkeit: Vermittlungsfähig ist, wer bereit, in der Lage und berechtigt ist, eine zumutbare Arbeit anzunehmen und an Eingliederungsmassnahmen teilzunehmen (vgl. Art. 15 AVIG; siehe auch Art. 28 Abs. 1 AVIG bei vorübergehend fehlender oder verminderter Arbeitsfähigkeit). Vermittelbare Arbeitslose müssen grundsätzlich jede zumutbare Arbeit unverzüglich annehmen. Nicht zumutbar sind u.a. Arbeiten, die den berufs- und ortsüblichen Bedingungen nicht entsprechen, welche nicht angemessen auf die Fähigkeiten oder die bisherige Tätigkeit der Versicherten Rücksicht nehmen oder die deren Alter, persönlichen Verhältnissen oder Gesundheitszustand nicht angemessen sind (vgl. dazu Art. 16 AVIG).
  • Einhaltung der Kontrollvorschriften und der übrigen Pflichten (insbesondere Arbeitsuche, Annahme einer zumutbaren Arbeit, Teilnahme an arbeitsmarktlichen Massnahmen, die die Vermittlungsfähigkeit fördern, Teilnahme an Beratungsgesprächen und Informationsveranstaltungen sowie an Fachberatungsgesprächen; vgl. Art. 17 AVIG).

2.2.2.   Entschädigung

Der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung beginnt grundsätzlich nach einer Wartezeit von fünf Tagen kontrollierter Arbeitslosigkeit. Für bestimmte Gruppen Versicherter und Personen, die von der Beitragszeit befreit sind, gelten spezielle Vorschriften (Art. 18 AVIG, Art. 6 AVIV, Art. 6a AVIV).

Für den Leistungsbezug und für die Beitragszeit gelten, sofern dieses Gesetz nichts anderes vorsieht, je zweijährige Rahmenfristen. Die Rahmenfrist für den Leistungsbezug beginnt mit dem ersten Tag, für den sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Ist die Rahmenfrist für den Leistungsbezug abgelaufen und beansprucht der Versicherte wieder Arbeitslosenentschädigung, so gelten, sofern das Gesetz nichts anderes vorsieht, erneut zweijährige Rahmenfristen für den Leistungsbezug und die Beitragszeit (Art. 9 AVIG).

Die Arbeitslosenentschädigung wird als Taggeld ausgerichtet. Für eine Woche werden fünf Taggelder ausbezahlt (Art. 21 AVIG). Ein volles Taggeld beträgt 80% des versicherten Verdienstes. Die versicherte Person erhält zudem einen Zuschlag, der den auf den Tag umgerechneten gesetzlichen Kinder- und Ausbildungszulagen entspricht, auf die sie Anspruch hätte, wenn sie in einem Arbeitsverhältnis stände. Dieser Zuschlag wird allerdings nur ausbezahlt, wenn die Kinderzulagen der versicherten Person während der Arbeitslosigkeit nicht ausgerichtet werden und für dasselbe Kind kein Anspruch einer erwerbstätigen Person besteht.

Ein Taggeld in der Höhe von 70% des versicherten Verdienstes erhalten

  • Versicherte, die keine Unterhaltspflicht gegenüber Kindern unter 25 Jahren haben,
  • Versicherte, die ein volles Taggeld erreichen, das mehr als 140 Franken beträgt, und
  •  Versicherte, die keine Invalidenrente beziehen, die einem Invaliditätsgrad von mindestens 40 Prozent entspricht (Art. 22 AVIG).

Innerhalb der Rahmenfrist für den Leistungsbezug bestimmt sich die Höchstzahl der Taggelder nach dem Alter der Versicherten sowie nach der Beitragszeit (Art. 27 AVIG). Die versicherte Person hat Anspruch auf

  • höchstens 260 Taggelder, wenn sie eine Beitragszeit von insgesamt zwölf Monaten nachweisen kann
  • höchstens 400 Taggelder, wenn sie eine Beitragszeit von insgesamt 18 Monaten nachweisen kann
  • höchstens 520 Taggelder, wenn sie eine Beitragszeit von mindestens 22 Monaten nachweisen kann und das 55. Altersjahr zurückgelegt hat oder eine Invalidenrente bezieht, die einem Invaliditätsgrad von mindestens 40% entspricht.

Für Versicherte, die innerhalb der letzten vier Jahre vor Erreichen des AHV-Rentenalters arbeitslos geworden sind und deren Vermittlung allgemein oder aus Gründen des Arbeitsmarktes unmöglich oder stark erschwert ist, gelten besondere Regeln (Art. 27 Abs. 3 AVIG, Art. 41b AVIV).

Anspruch auf höchstens 90 Taggelder haben Personen, die von der Erfüllung der Beitragszeit befreit sind (Art. 27 Abs. 4 AVIG).

Anspruch auf höchstens 200 Taggelder haben Personen bis zum zurückgelegten 25. Altersjahr ohne Unterhaltspflichten gegenüber Kindern (Art. 27 Abs. 5bis AVIG).

Als versicherter Verdienst gilt nach Art. 23 AVIG der im Sinne der AHV-Gesetzgebung mass­gebende Lohn, der während des Bemessungszeitraumes, d.h. während der letzten sechs Beitragsmonate vor Beginn der Rahmenfrist für den Leistungsbezug (Art. 37 Abs. 1 AVIV), aus einem oder mehreren Arbeitsverhältnissen normalerweise erzielt wurde. Der Verdienst ist nicht versichert, wenn er während des Bemessungszeitraumes monatlich 800 Franken nicht erreicht (Art. 40 AVIV). Für Versicherte, die im Anschluss an eine Berufslehre Arbeitslosenentschädigung beziehen, sowie für Personen, die von der Erfüllung der Beitragszeit befreit sind, setzt der Bundesrat Pauschalansätze als versicherten Verdienst fest. Er berücksichtigt dabei insbesondere das Alter, den Ausbildungsstand sowie die Umstände, die zur Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit geführt haben (Art. 23 Abs. 2 AVIG). Nicht versichert ist ein Nebenverdienst. Als solcher gilt jeder Verdienst, den ein Versicherter ausserhalb seiner normalen Arbeitszeit als Arbeitnehmer oder ausserhalb des ordentlichen Rahmens seiner selbständigen Erwerbstätigkeit erzielt (Art. 23 Abs. 3 AVIG). Ebenso nicht versichert ist gemäss Art. 23 Abs. 3bis AVIG auch ein Verdienst, den eine Person durch Teilnahme an einer von der öffentlichen Hand finanzierten arbeitsmarktlichen Massnahme erzielt. Ausgenommen sind Massnahmen nach Art. 65 AVIG (Tätigkeit mit Einarbeitungszuschüssen) und Art. 66a AVIG (Tätigkeit mit Ausbildungszuschüssen).

Die Arbeitslosenentschädigung gilt als beitragspflichtiger Lohn im Sinne der AHV/IV/EO. Alle Arbeitslosen sind bei der SUVA gegen Nichtberufsunfälle versichert. Ebenso ist es für Arbeitslose obligatorisch, sich im Rahmen der beruflichen Vorsorge gegen die Risiken Tod und Invalidität zu versichern. Auf den Arbeitslosenentschädigungen werden demzufolge Prämien erhoben (Art. 22a AVIG, Art. 35 AVIV, Art. 36 AVIV).

2.2.3.   Verfahren

Der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung muss innert dreier Monate nach dem Ende der Kontrollperiode (= Kalendermonat, Art. 27a AVIV), auf die sie sich bezieht, geltend gemacht werden. Wird diese Frist verpasst, erlischt der Anspruch (Art. 20 Abs. 3 AVIG). Die versicherte Person kann ihren Anspruch bei einer Kasse ihrer Wahl geltend machen (Art. 20 Abs. 1 AVIG). Die Unterlagen, die bei der Geltendmachung des Anspruchs vorzulegen sind, ergeben sich aus Art. 29 AVIV.

2.2.4.   Sanktionen

Je nach Verschulden kann die Anspruchsberechtigung für höchstens 60 Tage eingestellt werden, z.B. bei Arbeitslosigkeit durch eigenes Verschulden oder wegen nicht ausreichender Bemühungen um Stellensuche oder wenn Kontrollvorschriften oder Weisungen nicht befolgt werden. Wird die versicherte Person innerhalb der Rahmenfrist für den Leistungsbezug wiederholt in ihrer Anspruchsberechtigung eingestellt, ist die Einstellungsdauer angemessen zu erhöhen (Art. 30 AVIG, Art. 44 AVIV, Art. 45 AVIV).

2.3.      Insolvenzentschädigung, Kurzarbeitsentschädigung, Schlechtwetterentschädigung

2.3.1.   Insolvenzentschädigung

Wenn gegen den Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin der Konkurs eröffnet worden ist oder er bzw. sie offensichtlich überschuldet ist oder falls für Lohnforderungen ein Pfändungsbegehren gestellt wurde, können die davon betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Insolvenzentschädigung beanspruchen (Art. 51 AVIG). Diese deckt (bis zu einem bestimmten Betrag) Lohnforderungen für höchstens die letzten vier Monate des Arbeitsverhältnisses (Art. 52 AVIG).

2.3.2.   Kurzarbeitsentschädigung

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren normale Arbeitszeit verkürzt oder deren Arbeit ganz eingestellt ist (vorübergehend aus wirtschaftlichen Gründen), haben Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung (Art. 31 AVIG). Die Kurzarbeitsentschädigung beträgt 80% des anrechenbaren Verdienstausfalls (Art. 34 AVIG).

2.3.4.   Schlechtwetterentschädigung

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Erwerbszweigen, in denen wetterbedingte Ausfälle üblich sind und wo ein ausschliesslich durch das Wetter verursachter Ausfall eingetreten ist, haben unter Umständen Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung (Art. 42 AVIG).

2.4.      Besonderheiten des Verfahrens und der Rechtspflege

Für das Verfahren und die Rechtspflege gelten zum Teil in Abweichung von den Regeln des ATSG abweichende Bestimmungen. Vgl. dazu Art. 100 ff. AVIG.

2.5.      Strafbestimmungen

Nach Art. 105 AVIG macht sich strafbar,

  • wer durch unwahre oder unvollständige Angaben oder in anderer Weise für sich oder einen andern zu Unrecht Versicherungsleistungen erwirkt
  • wer durch unwahre oder unvollständige Angaben oder in anderer Weise Leistungen zugunsten des Trägers einer Kasse aus dem Ausgleichsfonds erwirkt, die dem Träger nicht zustehen
  • wer die Schweigepflicht verletzt
  • wer bei der Durchführung dieses Gesetzes seine Stellung als Angestellter einer Kasse zum eigenen Vorteil oder zum Vorteil des Trägers oder zum Nachteil eines anderen missbraucht.

Sofern nicht ein mit einer höheren Strafe bedrohtes Verbrechen oder Vergehen des Strafgesetzbuches vorliegt, werden solche Vergehen mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bestraft.

Insbesondere für Verletzung von Auskunftspflichten und Meldepflichten sieht sodann Art. 106 AVIG einen Übertretungsstraftatbestand vor.

3. Auswirkungen der EU/EFTA-Übereinkommen

Das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft (FZA, SR 0.142.112.681) und das Übereinkommen zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA, SR 0.632.31) koordinieren die Sozialversicherungssysteme der beteiligten Länder. Die wesentlichen Grundsätze der Abkommen sind die Gleichbehandlung der EU/EFTA-Bürger mit den schweizerischen Staatsangehörigen und die Sicherung von erworbenen Ansprüchen gegenüber den Sozialversicherungen bei der Aufnahme einer Arbeitstätigkeit in einem anderen Land.

Ein wichtiges Koordinationsprinzip ist der Grundsatz der Zusammenrechnung der Zeiten, d.h. bei der Prüfung eines Leistungsanspruches sind nicht nur die in der Schweiz, sondern auch die in einem EU-/EFTA-Staat zurückgelegten Zeiten zu berücksichtigen. Bei der Beitragszeit nach Art. 13 AVIG ist also nicht nur die Erwerbstätigkeit in der Schweiz, sondern auch die Erwerbstätigkeit in einem EU-/EFTA-Staat zu berücksichtigen.

Nähere Informationen zu den erwähnten Abkommen und deren Auswirkungen auf die einzelnen Sozialversicherungen finden sich unter anderem auf der Homepage des Bundesamtes für Sozialversicherungen (http://www.bsv.admin.ch/soziale_sicherheit/index.html?lang=de).

Sonderregelungen Asyl

Keine.