Invalidenversicherung (IV)

Erläuterungen

1. Allgemeines

Zweck der IV ist die Eingliederung von Menschen mit Behinderung. Die Leistungen der IV sollen die Invalidität mit geeigneten, einfachen und zweckmässigen Eingliederungsmassnah­men verhindern, vermindern oder beheben. Ist dies nicht oder nicht sofort oder nicht vollumfänglich möglich, so werden Leistungen zur angemessenen Deckung des Existenzbedarfs ausgerichtet (Art. 1a IVG).

Versichert sind die im Rahmen der AHV obligatorisch oder freiwillig versicherten Personen (Art. 1b IVG).

Die Finanzierung erfolgt mittels Beiträgen der Versicherten und ihrer Arbeitgebenden und aus Mitteln der öffentlichen Hand.

2. Voraussetzungen der Leistungen

Anspruch auf IV-Leistungen haben Versicherte, die wegen eines Gesundheitsschadens (unabhängig von dessen Ursache) voraussichtlich bleibend oder für längere Zeit ganz oder teilweise erwerbs- bzw. arbeitsunfähig sind.

Anspruchsberechtigt sind grundsätzlich alle bei Eintritt der Invalidität versicherten Schweizerinnen und Schweizer und EU/EFTA-Staatsangehörigen mit Wohnsitz in der Schweiz; bei einer Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland werden halbe und ganze IV-Renten weiterhin ausgerichtet. Angehörige von anderen Staaten, mit welchen ein entsprechendes Abkommen besteht, müssen zudem während mindestens eines Jahres Beiträge geleistet oder sich ununterbrochen während zehn Jahren (anerkannte Flüchtlinge und Staatenlose während fünf Jahren) in der Schweiz aufgehalten haben. Dies gilt auch für Angehörige von Nichtvertrags­staaten; bei einer Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland erhalten solche aber keine Leistungen mehr.

3. Leistungen und Beiträge

In den Art. 14 bis Art. 26 enthält das ATSG allgemeine Bestimmungen über Leistungen und Beiträge. Dabei geht es um Folgendes: Sachleistungen, Geldleistungen, Kürzung und Verweigerung von Leistungen, Sicherung der Leistung, Verzicht auf Leistungen, Erlöschen des Anspruchs, Rückerstattung von Leistungen und Verzugs- und Vergütungszinsen. Für die Sozialhilfe wichtig sind vor allem folgende Vorschriften:

  • Zur Gewährleistung ihrer zweckgemässen Verwendung können Geldleistungen nach Art. 20 ATSG unter bestimmten Voraussetzungen ganz oder teilweise einem geeigneten Dritten oder einer Behörde (z.B. der Sozialbehörde) ausbezahlt werden.
  • Laut Art. 22 ATSG, welcher die Sicherung der Leistung regelt, ist der Anspruch auf Leistungen weder abtretbar noch verpfändbar und ist jede Abtretung oder Verpfändung nichtig. Unter bestimmten Voraussetzungen können aber Nachzahlungen von Leistungen abgetreten werden, unter anderem auch an Sozialdienste, soweit diese Vorschusszahlungen leisten
  • Ein von der berechtigten Person erklärter Verzicht auf Leistungen und ihr Widerruf sind nichtig, wenn die schutzwürdigen Interessen von andern Personen, von Versicherungen oder Sozialdiensten beeinträchtigt werden oder falls damit eine Umgehung gesetzlicher Vorschriften bezweckt wird (Art. 23 Abs. 2 ATSG).
  • Nach Art. 24 Abs. 1 ATSG erlischt der Anspruch auf ausstehende Leistungen oder Beiträge grundsätzlich fünf Jahre nach dem Ende des Monats, für welchen die Leistung, und fünf Jahre nach dem Ende des Kalenderjahres, für welches der Beitrag geschuldet war.
  • Unrechtmässig bezogene Leistungen sind nach Art. 25 ATSG grundsätzlich zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie aber nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt. Der Rückforderungsanspruch erlischt mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Jahren nach der Entrichtung der einzelnen Leistung. Zuviel bezahlte Beiträge können zurückgefordert werden. Der Anspruch erlischt mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem der Beitragspflichtige von seinen zu hohen Zahlungen Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres in dem die Beiträge bezahlt wurden.

4. Mitwirkungs- und Meldepflichten

Die versicherte Person muss alles ihr Zumutbare unternehmen, um die Dauer und das Ausmass der Arbeitsunfähigkeit zu verringern und den Eintritt einer Invalidität zu verhindern. Sie muss an allen zumutbaren Massnahmen, die zur Erhaltung des bestehenden Arbeitsplatzes oder zu ihrer Eingliederung ins Erwerbsleben oder in einen dem Erwerbsleben gleichgestellten Aufgabenbereich dienen, aktiv teilnehmen. Dies sind insbesondere Massnahmen der Frühintervention, Integrationsmassnahmen zur Vorbereitung auf die berufliche Eingliederung, Massnahmen beruflicher Art und medizinische Behandlungen (Art. 7 IVG, Art. 43 Abs. 2 ATSG). Als zumutbar gilt jede Massnahme, die der Eingliederung der versicherten Person dient; ausgenommen sind Massnahmen, die ihrem Gesundheitszustand nicht angemessen sind (Art. 7a IVG).

Jede wesentliche Änderung der beruflichen, familiären und gesundheitlichen Situation ist von der versicherten Person, ihren Angehörigen oder Dritten, denen die Leistung zukommt, der zuständigen IV-Stelle zu melden (Art. 31 ATSG).

Kommt die versicherte Person diesen Pflichten nicht nach, können Leistungen gekürzt oder verweigert werden (vgl. Art. 7b IVG).

5. Verfahren

Die Anmeldung erfolgt mit amtlichem Formular bei der IV-Stelle des Wohnkantons. Das Antragsformular ist bei der IV-Stelle, der AHV-Ausgleichskasse, der AHV-Gemeindestelle oder unter www.ahv-iv.info erhältlich.

Da die Abklärungen im Allgemeinen viel Zeit in Anspruch nehmen, empfiehlt sich eine möglichst frühzeitige Einreichung des Gesuchs. Zur Anmeldung berechtigt sind auch Behörden oder Dritte, welche die betreffende Person regelmässig unterstützen oder dauernd betreuen (z. B. Sozialbehörden).

Die Abklärung der versicherungsmässigen Voraussetzungen und der Eingliederungsfähigkeit werden durch die IV-Stelle, deren Organe (regionale ärztliche Dienste) oder durch von ihr beauftragte Dritte durchgeführt.

Gegen den Entscheid der IV-Stelle kann Einsprache gemäss Art. 52 ATSG erhoben werden. Der Einspracheentscheid der IV-Stelle unterliegt der Beschwerde an das kantonale Versicherungsgericht, dessen Entscheid kann beim Bundesgericht angefochten werden.

Für Hilfeleistungen und Beratungen und im Rahmen der Geltendmachung von IV-Leistungen können auch die Beratungsstellen der Pro Infirmis in Anspruch genommen werden.

6. Nachzahlungen an bevorschussende Dritte

Arbeitgeber, Einrichtungen der beruflichen Vorsorge, Krankenversicherungen, öffentliche und private Sozialhilfestellen oder Haftpflichtversicherungen mit Sitz in der Schweiz, welche im Hinblick auf eine Rente der Invalidenversicherung Vorschussleistungen erbracht haben, können verlangen, dass die Nachzahlung dieser Rente bis zur Höhe ihrer Vorschussleistung verrechnet und an sie ausbezahlt wird. Vorbehalten bleibt die Verrechnung nach Art. 20 AHVG. Die bevorschussenden Stellen haben ihren Anspruch mit besonderem Formular frühestens bei der Rentenanmeldung und spätestens im Zeitpunkt der Verfügung bei der IV-Stelle geltend zu machen (Art. 85bis IVV). Näheres dazu vgl. Beitrag "Rückerstattung aus rückwirkenden Leistungen".

7. Auswirkungen der EU/EFTA-Übereinkommen

Das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft (FZA, SR 0.142.112.681) und das Übereinkommen zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA, SR 0.632.31) koordinieren die Sozialversicherungssysteme der beteiligten Länder. Die wesentlichen Grundsätze der Abkommen sind die Gleichbehandlung der EU/EFTA-Bürgerinnen und -Bürger mit den schweizerischen Staatsangehörigen und die Sicherung von erworbenen Ansprüchen gegenüber den Sozialversicherungen bei der Aufnahme einer Arbeitstätigkeit in einem anderen Land.

Wichtige Koordinationsprinzipien sind zum einen der Grundsatz der Zusammenrechnung der Zeiten, d.h. bei der Prüfung eines Leistungsanspruches sind nicht nur die in der Schweiz, sondern auch die in einem EU-/EFTA-Staat zurückgelegten Zeiten zu berücksichtigen. Zum anderen sind Leistungen der Sozialversicherungen grundsätzlich auch ins Ausland zu entrichten, sie unterliegen der so genannten Exportpflicht.

Von der Exportpflicht ausgenommen sind die so genannten beitragsunabhängigen Sonderleistungen. Dazu gehört unter anderem die Hilflosenentschädigung. Diese wird also nur an Personen mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz ausgerichtet.

Nähere Informationen zu den erwähnten Abkommen und deren Auswirkungen die einzelnen Sozialversicherungen finden sich unter anderem auf der Homepage des Bundesamtes für Sozialversicherungen

Sonderregelungen Asyl

Keine.

Praxishilfen

Weitere Informationen, Merkblätter und Formulare finden sich unter:

https://www.ivso.ch/